Das Versteck
zu Grünschnäbeln Verdammte. Wenn die wirklich studierten, konnte er zum Mars fliegen. »Ja, der bin ich. Was gibt's?«
»Sir, ich schätze Ihre Bücher über alles.«
»Haben Sie wohl auf Kassette gehört?«
»Bitte? Nein, ich habe sie gelesen. Alle!« Die Tonbandkassette hatte sein Verleger ohne seine Zustimmung aufnehmen lassen, der Inhalt war allerdings um zwei Drittel gekürzt. Ein Zerrbild seiner Romane.
»So? Na, dann sicher als Comic?« fragte Honell säuerlich, obwohl er wußte, daß das Sakrileg einer Comicstrip-Adaption seiner Romane noch nicht begangen worden war.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich habe wirklich lange überlegt, bis ich den Mut fand, Sie aufzusuchen. Heute abend habe ich mir ein Herz gefaßt, weil ich wußte, wenn ich es jetzt nicht tue, dann schaffe ich es nie. Ich bewundere Ihr Werk, Sir, und wenn Sie ein wenig Zeit hätten, einen Moment nur, um mir ein paar Fragen zu beantworten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
Eine nette kleine Unterhaltung mit einem intelligenten jungen Mann schien verlockender, als Miss Culvert noch einmal zu lesen. Er hatte schon lange keinen derartigen Besuch mehr gehabt, der letzte lag lange zurück, das war noch in Santa Fe gewesen. Nach kurzem Zögern öffnete Honell die Tür.
»Gut, kommen Sie herein. Wollen wir mal sehen, ob Sie tatsächlich verstehen, was Sie lesen.«
Der junge Mann trat ein, und Honell ging voraus zu seinem Schaukelstuhl und dem Whiskey.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, murmelte der Fremde und zog die Tür hinter sich ins Schloß.
»Freundlichkeit ziert die Schwachen und Dummen, junger Mann. Ich habe andere Beweggründe.« An seinem Schaukelstuhl angekommen, wandte er sich um und sagte: »Nehmen Sie die Sonnenbrille ab, junger Mann. Eine Sonnenbrille bei Nacht ist dümmste Hollywood-Manier und paßt nicht zu einem gebildeten Menschen.«
»Entschuldigen Sie, Sir, es ist keine Manier. Nur ist es auf dieser Welt so beängstigend viel heller als in der Hölle – ich bin sicher, Sie werden das auch noch merken.«
Hatch hatte überhaupt keine Lust, essen zu gehen. Er wollte viel lieber einfach hier sitzen bleiben, die Zeitschrift mit den auf rätselhafte Weise angesengten Seiten anstarren und sich, bei Gott, zwingen, endlich zu begreifen, was in ihm vorging. Er war ein Vernunftsmensch. Übernatürliches war ihm fremd. Nicht ohne Grund handelte er mit Antiquitäten, denn er liebte es, sich mit schönen Dingen zu umgeben, die eine Atmosphäre von Ordnung und Beständigkeit schufen.
Kinder aber brauchten auch ihre Ordnung, und dazu gehörten regelmäßige Mahlzeiten. Also gingen sie in eine Pizzeria und hinterher noch ins Kino um die Ecke. Der Film war lustig, und obwohl er Hatch nicht von seinen Problemen ablenken konnte, wirkte Reginas vergnügtes Gekicher wie Balsam auf seine bloßliegenden Nerven.
Als er später an Reginas Bett stand, ihr einen Kuß auf die Stirn drückte, gute Nacht wünschte und das Licht ausdrehte, sagte sie stockend: »Gute Nacht … Dad.«
Er war schon mit einem Schritt aus der Tür, zögerte kurz und drehte sich noch einmal um.
»Gute Nacht«, sagte er mit aller Gelassenheit, derer er fähig war. Es war bestimmt besser, keine große Sache aus ihrem »Geschenk« zu machen, weil sie ihn sonst wieder mit Mr. Harrison anreden würde. Doch sein Herz machte einen Freudensprung.
Im Schlafzimmer erzählte er Lindsey davon. »Sie hat Dad zu mir gesagt.«
»Wer?«
»Wer wohl!«
»Hast du sie bestochen?«
»Du bist ja nur neidisch, weil sie nicht Mom zu dir sagt.«
»Das wird sie bestimmt noch. Sie hat schon nicht mehr solche Angst.«
»Vor dir?«
»Vor dem Risiko.«
Hatch ging noch einmal nach unten, um nachzusehen, ob Nachrichten auf dem Anrufbeantworter eingegangen waren. Seltsam, nach allem, was er durchgemacht hatte, und den Schwierigkeiten, in denen er zur Zeit steckte, genügte es, daß das Mädchen ihn Dad nannte, und er fühlte sich geradezu beflügelt. Er nahm gleich zwei Treppenstufen auf einmal.
Der Anrufbeantworter stand neben dem Kühlschrank auf dem Küchentresen. Darüber hing eine Pinnwand aus Kork. Hatch hoffte auf eine Nachricht von dem Erbschaftsverwalter, dem er ein Angebot für die Wedgwoodsammlung gemacht hatte. Das Display des Gerätes zeigte drei Anrufe an. Der erste war von Glenda Dockridge, seiner Assistentin, der zweite von Simpson Smith, einem befreundeten Antiquitätenhändler aus Los Angeles. Die dritte Nachricht stammte von Lindseys Freundin Janice Dimes.
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