Das Versteck
schwarzen Rose, der Frau und dem Mädchen mit den grauen Augen.
Hatch hatte sich bereits umgezogen, und Lindsey rumorte noch im Badezimmer. Er saß auf der Bettkante und las den Artikel von S. Steven Honell. Er selbst konnte buchstäblich jede Beleidigung mit einem Schulterzucken abtun; doch wenn Lindsey betroffen war, machte ihn das wütend. Er wollte nicht einmal Kritik an ihrer Arbeit akzeptieren, von der Lindsey selber behauptete, daß sie berechtigt war. Als er Honells bösartige, höhnische und letztlich dumme Schmähschrift las, die Lindseys gesamte Karriere als »nutzlose Energieverschwendung« hinstellte, wuchs sein Zorn mit jeder Zeile.
Wie schon in der vergangenen Nacht, entlud sich Hatchs Wut wie ein Vulkan. Er knirschte mit den Zähnen, bis sie schmerzten, seine Hände bebten so heftig, daß die Zeitschrift flatterte. Alles verschwamm ihm vor den Augen, als würde seine Sicht von aufsteigenden Hitzeschwaden getrübt. Er blinkte und zwinkerte, um die tanzenden Buchstaben wieder zu lesbaren Worten zu machen.
Und wie in der vergangenen Nacht kam es Hatch auch jetzt wieder so vor, als ob seine Wut eine Tür in seinem Innersten aufstieß, daß etwas eindrang und von ihm Besitz ergriff. Eine böse Kraft, die nur haßerfüllte Raserei kannte. Oder aber er hatte sie immer schon in sich getragen, latent wie ein Virus, und seine Wut hatte sie aktiviert. Er war nicht mehr Herr seines eigenen Willens und spürte eine weitere Präsenz, die einer Spinne gleich durch den winzigen Spalt zwischen seiner Schädeldecke und seiner Hirnhaut kroch.
Er wollte die Zeitschrift aus der Hand legen und sich entspannen – und mußte doch gegen seinen Willen weiterlesen.
Im Traum wanderte Vassago durch das brennende Spukhaus. Das Feuer ängstigte ihn nicht, weil er einen Fluchtweg wußte. Manchmal war er zwölf, dann wieder zwanzig Jahre alt, und immer erhellten menschliche Fackeln seinen Weg.
Einige bildeten schwelende Aschehäufchen zu seinen Füßen, andere wieder loderten auf, wenn er vorbeikam.
Er hielt eine aufgeschlagene Zeitschrift in der Hand, starrte auf einen Artikel, der ihn erzürnte, den er jedoch zwingend lesen mußte. Die Seiten bogen sich schon in der Hitze und drohten, Feuer zu fangen. Namen sprangen ihn an. Lindsey. Lindsey Sparling. Endlich wußte er, wie sie hieß. Er wollte die Zeitschrift hinwerfen, ein paarmal tief durchatmen und sich wieder beruhigen … Statt dessen schürte er seine Wut und ließ sich von einer Woge des Zorns überrennen. Jetzt wollte er mehr wissen. Die Seitenränder krümmten sich in der Hitze. Honell. Ein neuer Name. Steven Honell. Aschenglut fiel auf den Artikel. Steven S. Honell. Nein, zuerst das S. S. Steven Honell. Die Seite fing Feuer. Honell. Ein Schriftsteller. Eine Bar. Silverado Canyon. Die Zeitschrift in seiner Hand loderte auf und versengte sein Gesicht –
Wie von einer Tarantel gestochen fuhr er in seinem dunklen Versteck auf. Er war hellwach. Erregt. Jetzt wußte er genug, um die Frau zu finden.
Eben noch brannte der Zorn in ihm wie Feuersglut, dann hatte er sich unvermittelt wieder gelegt. Hatchs verkrampfte Schultern wurden wieder locker, sein Kiefer entspannte sich, die Zeitschrift entglitt seinen Händen und fiel zu Boden.
Er blieb auf der Bettkante sitzen und sah sich benommen um.
Die Tür zum Badezimmer war immer noch geschlossen, und er registrierte dankbar, daß Lindsey nicht gerade herausgekommen war, als er … als er was? In Trance war? Besessen?
Ein brenzliger Geruch stieg ihm in die Nase. Rauch.
Sein Blick fiel auf die Zeitschrift zu seinen Füßen. Zögernd hob er sie auf. Die Seite mit Honells Artikel war noch aufgeschlagen. Obwohl kein sichtbarer Rauch aufstieg, roch es verbrannt, nach verbranntem Holz, Papier, Teer, Kunststoff – und noch Schlimmerem. Die Papierränder waren bräunlich verkohlt, als hätten sie in der Glut gelegen.
7
Honell saß in seinem Schaukelstuhl am Kamin, als es an der Haustür klopfte. Ein Glas Whiskey stand neben ihm, und er blätterte in einem seiner Bücher, Miss Culvert, das er vor fünfundzwanzig Jahren, mit dreißig, geschrieben hatte.
Es war inzwischen eine feste Gewohnheit bei ihm, daß er sich jeden seiner neun Romane einmal im Jahr vornahm, weil er in ständigem Wettkampf mit sich selber lebte. Statt sich aufs Altenteil zu begeben, wie die meisten seiner Kollegen, setzte er seinen ganzen Ehrgeiz daran, sich noch zu steigern. Die eigene Kunst zu verbessern, stellte in der Tat eine besondere
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