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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Weinflasche aus dem Kühler, beugte sich vor und schenkte Jonas nach. »Das mußte ja wie ein weiterer Aspekt seiner Schüchternheit wirken. Zurückhaltung und Schüchternheit sind keine Charakterfehler. Es gab keinen Grund, etwas anderes darin zu vermuten.«
    »Es war aber keine Zurückhaltung«, entgegnete Jonas bekümmert. »Es war die Unfähigkeit zu empfinden, zu lieben.«
    »Du mußt mit diesen Selbstbezichtigungen aufhören, Jonas.«
    »Wenn aber Marion und Stephanie nun nicht seine ersten Opfer waren?«
    »Aber bestimmt.«
    »Und wenn nicht?«
    »Ein Teenager mag ja einen Mord begehen, er wird aber nicht so abgebrüht sein, daß er unbehelligt weiter mordet.«
    »Und wenn er schon wieder jemanden getötet hat, seit er aus der Reha-Klinik verschwunden ist?«
    »Vielleicht ist er selber schon umgebracht worden.«
    »Unmöglich. Jeremy ist kein Opfertyp.«
    »Wahrscheinlich ist er tot.«
    »Er ist irgendwo da draußen. Ich bin schuld.«
    Jonas sah mit starrem Blick auf das nächtliche Panorama. Die Zivilisation hatte all ihren funkelnden Zauber ausgebreitet, all ihre grelle Pracht, all ihren gleißenden Schrecken.
     
    Als sie sich dem San Diego Freeway, der Interstate 405, näherten, sagte Hatch nur: »Nach Süden. Er fährt nach Süden.«
    Lindsey warf den Blinker an und schaffte es gerade noch, in die Ausfahrt abzubiegen.
    Zu Beginn der Fahrt hatte sie, wann immer es der Verkehr erlaubte, Hatch noch ein paarmal von der Seite angesehen und gehofft, er würde ihr sagen, was er von dem Mann, dem sie folgten, sehen oder empfangen konnte. Weil Hatch jedoch stumm blieb, konzentrierte sie sich auf die Straße. Vermutlich sah er wirklich nur wenig, und der Kontakt mit dem Killer war nur schwach und wurde hin und wieder unterbrochen. Sie wollte Hatch nicht bedrängen, aus Angst, ihn abzulenken. Dann würde die wackelige Verbindung womöglich ganz zusammenbrechen – und Regina wäre verloren.
    Hatch hielt immer noch das Kruzifix in der Hand. Aus dem Augenwinkel konnte Lindsey sehen, wie seine linke Hand unruhig über die metallischen Konturen der Leidensfigur auf dem imitierten Holzkreuz fuhr. Er saß mit einem verinnerlichten Blick da und schien nicht zu merken, daß es Nacht war und er in einem Auto fuhr.
    Lindsey mußte sich eingestehen, daß ihr Leben mittlerweile eine surrealistische Note erhalten hatte, die ihren Bildern glich. Übersinnliches Geschehen stand gleichberechtigt neben der vertrauten profanen Welt. Das Bild baute sich aus so grundverschiedenen Komponenten auf wie Kruzifixe und Pistolen, Wahnvorstellungen und Taschenlampen.
    In ihrer Malerei verwendete Lindsey gewöhnlich surrealistische Elemente, um ein Sujet zu verdeutlichen. Wurde sie jedoch im Alltag mit dem Übernatürlichen konfrontiert wie jetzt, reagierte sie mit Bestürzung und Verwirrung.
    Hatch zuckte zusammen und beugte sich vor, soweit der Sicherheitsgurt dies zuließ, als ob er etwas Seltsames und Erschreckendes zugleich auf der Straße vor sich bemerkt hätte, obwohl er gar nicht hinsah. Er fiel wieder in den Sitz zurück. »Er hat die Ausfahrt zum Ortega Highway genommen. Östliche Richtung. Die Ausfahrt kommt gleich, sind nur ein paar Meilen. Nach Osten auf dem Ortega Highway.«
     
    Manchmal blendeten ihn die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge so sehr, daß er trotz der dunklen Brillengläser blinzeln mußte.
    Während der Fahrt warf Vassago immer wieder einen Blick auf das bewußtlose Mädchen neben sich auf dem Beifahrersitz. Ihr Kinn ruhte auf der Brust. Obwohl ihr Kopf nach vorne hing und das kastanienbraune Haar die eine Gesichtshälfte verdeckte, konnte er ihren geknebelten Mund sehen, der von dem umgebundenen Tuch zu einer Fratze verzogen wurde, den Schwung ihrer kleinen Nase, ein ganzes Augenlid und ein wenig von dem anderen – diese langen Wimpern – und einen Teil ihrer Augenbraue. In seiner Phantasie spielte er alle Möglichkeiten durch, wie er dieses Mädchen verstümmeln würde, um sie in höchst wirkungsvoller Weise als Opfer darzubringen.
    Sie eignete sich geradezu perfekt für seine Zwecke. Mit ihrer durch das lahme Bein und die verkrüppelte Hand geschmälerten Schönheit war sie die Inkarnation der Fehlbarkeit Gottes. Eine Trophäe, fürwahr, für seine Sammlung.
    Wie bitter, daß er die Mutter nicht bekommen hatte, doch vertraute Vassago darauf, ihrer auch noch habhaft zu werden. Er liebäugelte mit dem Gedanken, das Kind heute noch nicht zu töten. Wenn er sie noch ein paar Tage lang am Leben ließ,

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