Das Versteck
erfassen konnte, mußte die ganze Welt ein Irrenhaus sein. Anders ausgedrückt: Kein Verrückter wäre imstande, auch nur ein Stück davon zu begreifen, wenn dieser Planet ein vernünftiger Ort wäre.
Lindsey erreichte die Zufahrtsstraße nach Fantasy World und bog so schnell und scharf ab, daß der Mitsubishi ins Schleudern geriet und es für einen Augenblick so aussah, als würden sie sich überschlagen. Doch er blieb aufrecht auf seinen vier Rädern. Lindsey schlug den Lenker bis zum Anschlag ein, zog den Wagen herum und trat das Gaspedal durch.
Nicht Regina. Unter gar keinen Umständen durfte er zulassen, daß Jeremy seine perverse Vision mit diesem Unschuldslamm in die Tat umsetzte. Hatch würde sein Leben dafür geben, wenn er es verhindern könnte.
Angst und Wut schäumten in ihm. Das Plastikgehäuse des schnurlosen Telefons in seiner Rechten knackte, als wollte es unter seinem festen Griff wie eine Eierschale zerbrechen.
Mauthäuschen tauchten aus dem Dunkel vor ihnen auf. Lindsey bremste unentschlossen ab, dann entdeckten sie und Hatch gleichzeitig die Reifenspuren auf der Erde, Lindsey steuerte den Wagen nach rechts und über die Betoneinfassung, die einmal zu einer Blumenrabatte gehört hatte.
Er mußte seine Wut zügeln, durfte ihr nicht nachgeben wie sein Vater, denn wenn er sich jetzt nicht in der Gewalt hatte, war Regina so gut wie tot. Wieder wählte er die 911 für den Notruf, er mußte einen kühlen Kopf bewahren. Er durfte sich nicht auf das Niveau dieses wandelnden Stück Drecks begeben, mit dessen Augen er die gefesselten Handgelenke und den schreckerfüllten Blick seines Kindes gesehen hatte.
Die rasende Wut, die ihn über den telepathischen Draht überfiel, erregte Vassago ungemein, stachelte seine eigenen Haßgefühle an und bestärkte ihn in seinem Entschluß, nicht mehr zu warten, bis er beide, die Frau und das Mädchen, in seiner Gewalt hatte. Allein die Aussicht auf die einzigartige Kreuzigung erfüllte ihn mit soviel Haß und Abscheu, daß er sich in seinem künstlerischen Konzept bestätigt fühlte. Hatte er es erst einmal mit dem Körper des grauäugigen Mädchens umgesetzt, würde sein Kunstwerk ihm die Pforten zur Hölle wieder öffnen.
Er mußte am Anfang der Lieferantenstraße anhalten, weil sie durch ein Tor mit Vorhängeschloß versperrt schien. Das massive Vorhängeschloß hatte er schon vor langem aufgebrochen. Es hing nur noch zum Schein an dem Haken. Vassago stieg aus, schwang das Tor auf, fuhr hindurch, stieg erneut aus und schob es zu.
Als er sich wieder hinter das Steuer klemmte, beschloß er, den Honda nicht in der Tiefgarage zu parken und auch nicht durch die Katakomben in sein Museum des Todes zu gehen. Keine Zeit.
Gottes getreue, aber lahme Gefolgsleute arbeiteten sich allmählich an ihn heran. Er mußte noch viel erledigen, so viel, in so wenigen, kostbaren Minuten. Das war nicht fair. Er brauchte Zeit. Jeder Künstler brauchte Zeit . Um ein paar Minuten herauszuschinden, würde er über die breiten Gehwege fahren, zwischen den verlassenen und verfallenen Buden und Pavillons hindurch und direkt vor der Geisterbahn parken, das Mädchen dann über die ausgetrocknete Lagune und durch die Tore für die Gondeln tragen, durch die Tunnel mit dem Gleiskettenmechanismus und direkt hinunter in die Hölle.
Während Hatch noch mit dem Büro des Bezirkssheriffs telefonierte, bog Lindsey auf den Parkplatz ein. Die hohen Bogenlampen verströmten kein Licht. Die riesige leere Parkfläche breitete sich in alle Richtungen wie eine graue Asphaltwüste. Vor Lindsey stand unbeleuchtet das verfallene Schloß, durch das die Besucher damals in Fantasy World eintraten. Jeremy Nyeberns Auto war nirgendwo zu entdecken, es gab auch keine Reifenspur auf dem windgepeitschten, nackten Asphalt.
Lindsey fuhr so dicht wie möglich an das Schloß heran. Vor den Kassenhäuschen und einer Reihe betonierter Einweisungspoller machte sie halt. Sie sahen eher wie Panzersperren aus.
Hatch knallte den Telefonhörer in die Halterung. Lindsey wußte nicht genau, was sie aus dem Telefongespräch schließen sollte, denn Hatchs Antworten hatten sich zwischen Bitten und wütendem Beharren bewegt. Ebensowenig wußte sie, ob die Polizei kommen würde oder nicht, sie fühlte sich so pressiert, daß sie keine Zeit für Fragen hatte. Sie wollte nur los, los, los. Sobald der Wagen stand, schaltete sie die Automatik in Parkposition und machte sich nicht einmal die Mühe, den Motor oder die Scheinwerfer
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