Das Versteck
Gemäldesammlungen des Vaters. Die Sammlung des Sohnes. Der dämonische Aspekt der Visionen trug dem Rechnung, was man gemeinhin von einem mißratenen Sohn erwarten durfte, der sich in hirnloser Rebellion gegen den Vater und dessen fest im Leben verankerten Glauben auflehnte. Und dann verband ihn noch ein entscheidender Faktor mit Jeremy Nyebern, die wundersame Wiedererweckung zum Leben durch die Hand ein und desselben Mannes.
»Aber wie paßt das alles zusammen?« wollte Lindsey wissen, als Hatch ihr gerade soviel erzählte wie zuvor der Frau vom Auftragsdienst.
»Ich weiß es nicht.«
Ihm fielen nur die Dinge ein, die er in seinen letzten Visionen gesehen hatte und von denen er kaum die Hälfte begriff. Das, was er begriffen hatte , welcher Art nämlich Jeremys Sammlung war, erfüllte ihn mit Angst um Regina.
Da Lindsey im Gegensatz zu Hatch die fragliche Sammlung nicht gesehen hatte, versteifte sie sich nun auf die übersinnliche Verbindung zwischen den beiden, die sich irgendwie – aber nicht ganz – aus der Identität des Killers erklärte. »Was ist mit den Visionen? Wie passen sie in diese verdammte Komposition?« bohrte sie weiter, in dem Bemühen, das Übersinnliche zu begreifen, wie sie in ähnlicher Form die Welt zu verstehen suchte, indem sie sie in Farbe auf ihre Hartfaserplatten bannte.
»Ich weiß es nicht.«
»Dieser telepathische Draht, der dich ihm folgen läßt …«
»Keine Ahnung.«
Sie nahm die Kurve zu großzügig. Sie kamen von der Straße ab und schlidderten über den Seitenstreifen. Der Wagen brach hinten aus, Schotter löste sich unter den Rädern und prasselte an den Unterboden des Wagens. Die Leitplanke kam näher, viel zu nahe, und mit lautem Scheppern rieb sich Blech an Blech. Lindsey gelang es nur mit äußerster Willenskraft, den Wagen unter Kontrolle zu bringen, sie biß sich dabei auf die Unterlippe, als ob sie Blut saugen wollte.
Hatch war sich wohl bewußt, daß er neben Lindsey im Auto saß und sie mit tollkühner Geschwindigkeit über den Highway und durch manch gefährliche Kurve schossen, und konnte doch nicht ablassen, an die Greuel aus seinen Visionen zu denken. Je länger er darüber grübelte, daß Regina Teil dieser grausigen Sammlung werden sollte, desto mehr steigerte sich seine Angst zu rasender Wut. Es war diese siedende, unbezähmbare Wut, die er von seinem Vater kannte, nur daß sie sich diesmal auf ein konkretes Ziel richtete, etwas Verhaßtes, das so eine Raserei rechtfertigte.
Als Vassago sich der Einfahrt zu dem verlassenen Park näherte, warf er noch einen Blick auf das Mädchen, das gefesselt und geknebelt auf dem Beifahrersitz saß. Selbst in dem schwachen Licht konnte er sehen, daß die Kleine an ihren Fesseln gezerrt und sich die Handgelenke blutig gerieben hatte. Trotz ihrer eindeutig hoffnungslosen Lage machte sich die kleine Regina offenbar Hoffnungen, freizukommen, zu fliehen. Was für ein Lebenswille. Wie aufregend.
Das Kind war so einzigartig, daß er die Mutter womöglich gar nicht benötigte, solange ihm eine Möglichkeit einfiel, wie er das Mädchen in seine Sammlung integrieren konnte. Es müßte ein Kunstwerk sein mit der geballten Wirkung all jener Mutter-und-Tochter-Tableaus, die er bereits konzipiert hatte.
Auf einmal drängte es ihn, in sein Museum der Toten zu kommen, wo die Atmosphäre ihn inspirieren würde. Sobald er in die lange Zufahrtsstraße zum Park eingebogen war, gab er Gas.
Vor ein paar Jahren noch säumten exotische Blumen, Sträucher und hohe Palmen die vierspurige Straße. Die Bäume und größeren Gewächse waren inzwischen im Auftrag der Gläubiger ausgegraben und abtransportiert worden, die Blumen nur noch welkes Gestrüpp, seit die Berieselungsanlage ruhte.
Südkalifornien war eine Wüste, von Menschenhand umgestaltet. Entzog sich diese Hand, holte sich die Wüste ihr rechtmäßiges Territorium zurück. Soviel zur natürlichen Begabung des Menschen, Gottes unvollkommener Schöpfung. Der Asphalt hatte Risse bekommen und sich verworfen, an manchen Stellen verschwand er bereits unter dem Wüstensand. Im Scheinwerferkegel tauchten Disteln und anderes Wüstengewächs auf, die ein westwärts wehender Wind aus den versengten Bergen hierher getragen hatte.
Vor den Mauthäuschen drosselte Vassago das Tempo. Sie reichten über alle vier Fahrspuren und waren als Sperre vor unbefugtem Zutritt stehengeblieben und mit so schweren Eisenketten untereinander verbunden, daß ein gewöhnlicher Bolzenschneider nicht
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