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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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jedesmal zunächst den Eindruck, als wären die Kostbarkeiten in unmittelbarer Gefahr, umgeworfen oder in kleine Stücke zerschlagen zu werden. Doch nach wenigen Minuten trat wie durch ein Wunder die perfekte Harmonie zwischen Mann und Einrichtung zutage, so daß man sich des unheimlichen Gefühls nicht erwehren konnte, daß der Anwalt sich hier eine Umgebung neu geschaffen hatte, in der er schon einmal in einem früheren – dünneren – Leben heimisch gewesen war.
    Ein leises, fernes, aber durchdringendes Rumsen lenkte Hatchs Aufmerksamkeit von dem Anwalt und dessen Schreibtisch ab.
    »Sie kommt.« Die Nonne ohne Namen entfernte sich hastig von der Tür. Regina sollte offenbar nicht merken, daß man nach ihr Ausschau gehalten hatte.
    Wieder dieses Geräusch. Und wieder. Und wieder.
    Es war rhythmisch und wurde lauter.
    Rums! Rums!
    Lindsey umschloß Hatchs Hand fester.
    Rums! Rums!
    Jemand schien den Takt zu einer unhörbaren Melodie zu schlagen, indem er mit einem Bleirohr auf den harten Holzboden des Flurs klopfte.
    Verwirrt schaute Hatch zu Pater Jiminez hinüber. Der Priester blickte kopfschüttelnd zu Boden, aber seine Miene war undurchdringlich. Als das Geräusch immer lauter wurde, starrte Pater Duran erstaunt die angelehnte Tür zum Flur an, ebenso die Nonne ohne Namen. Salvatore Gujilio erhob sich beunruhigt. Schwester Immaculatas hübsche rote Apfelbäckchen wurden so weiß wie die Leinenhaube, die ihr Gesicht umrahmte.
    Hatch konnte nun zwischen den dumpfen Schlägen ein leiseres schabendes Geräusch hören.
    Rums! Schlurrf … Rums! Schlurrrf …
    Je näher die Geräusche kamen, desto unheimlicher hörten sie sich an, und unwillkürlich stiegen in Hatch Bilder aus unzähligen alten Horrorfilmen auf: das Monster aus der Lagune, das sich krebsartig auf seine Beute zuschiebt; das Monster aus der Gruft, das im trüben Schein des halb verdeckten Mondes über einen Friedhofsweg schlurft; das Monster aus dem All, das sich wie eine Mischung aus Spinne und Reptil auf Gott weiß was für verhornten Gliedmaßen vorwärtsbewegte.
    Rums!
    Die Fenster schienen zu klirren.
    Oder bildete er sich das nur ein?
    Schlurrrf …
    Ihm lief ein Schauer über den Rücken.
    RUMS!
    Er betrachtete den beunruhigten Anwalt, den kopfschüttelnden älteren und den erschrocken dreinblickenden jüngeren Priester und die beiden bleichen Nonnen, wandte seinen Blick aber rasch wieder der Tür zu, während er sich fragte, mit welcher Art von Behinderung dieses Kind geboren sein mochte. Fast rechnete er damit, im Türrahmen eine große, unförmige Gestalt auftauchen zu sehen, die Ähnlichkeit mit Charles Laughton in Der Glöckner von Notre Dame hatte und beim Grinsen schreckliche Fangzähne bleckte. Und Schwester Immaculata würde erklären: Wissen Sie, Mr. Harrison, Regina wurde nicht von normalen Eltern der Obhut unserer Gemeinschaft anvertraut, sondern von einem Labor, wo die Wissenschaftler wirklich hochinteressante Genforschung betreiben …
    Ein Schatten fiel auf die Schwelle.
    Hatch bemerkte, daß Lindsey seine Hand schmerzhaft umklammerte und daß seine Handfläche schweißnaß war.
    Die unheimlichen Geräusche verstummten. Im Zimmer herrschte atemlose Stille.
    Langsam wurde die Tür aufgestoßen.
    Regina betrat den Raum. Sie zog ihr rechtes Bein wie ein totes Gewicht hinter sich her: Schlurrrf … Dann setzte sie es mit voller Wucht auf. RUMS!
    Sie blieb stehen und blickte in die Runde. Herausfordernd. Hatch konnte kaum glauben, daß sie es war, die diesen ganzen Lärm verursacht hatte. Für eine Zehnjährige war sie ziemlich klein und schmächtig. Mit ihren Sommersprossen, der Stupsnase und dem wunderschönen kastanienbraunen Haar war sie denkbar ungeeignet für die Rolle des Monsters aus der Lagune oder irgendeines anderen furchterregenden Ungeheuers, obwohl die ernsten grauen Augen einen Ausdruck hatten, der Hatch bei einem Kind überraschte. Der wissende Blick eines Erwachsenen. Ein extrem ausgeprägtes Wahrnehmungsvermögen. Doch abgesehen von diesen Augen und einer Aura stählerner Entschlossenheit wirkte das Mädchen sehr fragil, geradezu erschreckend zerbrechlich und verletzbar.
    Die Kleine erinnerte Hatch an eine exquisite chinesische Porzellanschale mit Mandarin-Muster aus dem 18. Jahrhundert, die er unlängst in seinem Geschäft in Laguna Beach gehabt hatte. Wenn man sie mit dem Finger antippte, gab es einen glockenhellen Ton, der einen befürchten ließ, sie würde in tausend Stücke zerbrechen, wenn man sie fallen

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