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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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schnell, ohne gegen Möbel zu stoßen oder Vasen umzuwerfen, ohne den beiden Tiffanyvasen mit mundgeblasenen Trompetenblumenschirmen auch nur nahe zu kommen. Noch bemerkenswerter fand Hatch es allerdings, daß dieser imposante Mann nun nicht mehr automatisch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Mit dem schmächtigen Persönchen im Lehnstuhl konnte er nicht konkurrieren.
    Regina hielt ihr Glas Pepsi in der linken, normalen Hand, und wandte sich demonstrativ Hatch und Lindsey zu. »Nun, Sie sind doch hergekommen, um möglichst viel über mich zu erfahren. Also sollte ich Ihnen wohl etwas über mich erzählen. Das Wichtigste ist natürlich, daß ich ein Krüppel bin.« Mit schiefgelegtem Kopf warf sie ihnen einen forschenden Blick zu. »Wußten Sie, daß ich ein Krüppel bin?«
    »Wir wissen es jetzt«, sagte Lindsey.
    »Aber ich meine, bevor Sie hergekommen sind.«
    »Wir wußten, daß du … irgendwelche Probleme hast«, sagte Hatch.
    »Genmutation«, erklärte Regina. Pater Jiminez stieß einen schweren Seufzer aus. Schwester Immaculata schien etwas sagen zu wollen, warf Hatch und Lindsey einen Blick zu und beschloß zu schweigen.
    »Meine Eltern waren drogenabhängig«, fuhr das Mädchen fort. »Regina!« protestierte die Nonne ohne Namen. »Das weißt du doch gar nicht. Davon kann überhaupt keine Rede sein.«
    »Aber es paßt«, beharrte das Mädchen. »Drogenmißbrauch ist seit mindestens zwanzig Jahren die häufigste Ursache für angeborene Mißbildungen. Wußten Sie das? Ich habe es in einem Buch gelesen. Ich lese sehr viel. Ich bin ganz verrückt nach Büchern. Ich will nicht sagen, daß ich ein Bücherwurm bin. Das hört sich albern an, finden Sie nicht auch? Aber wenn ich ein Wurm wäre, möchte ich lieber in einem Buch als in einem Apfel wohnen. Es ist das Beste, was einem verkrüppelten Kind passieren kann, wenn es gerne liest, weil die anderen einen ja alles mögliche nicht machen lassen, auch wenn man selbst ganz sicher ist, daß man es genauso gut könnte wie jeder normale Mensch auch, und wenn man liest, kann man ein ganz anderes Leben führen. Ich mag Abenteuergeschichten, wo die Helden zum Nordpol oder zum Mars oder nach New York oder sonstwohin aufbrechen. Ich mag auch gute Krimis, fast alle von Agatha Christie, aber am besten gefallen mir Tiergeschichten, besonders wenn die Tiere sprechen können, wie in Wind in den Weiden . Ich hatte selbst einmal ein sprechendes Tier. Es war nur ein Goldfisch, und natürlich war es in Wirklichkeit ich und nicht der Goldfisch, der redete, weil ich nämlich ein Buch über Bauchreden gelesen und es dann gelernt hatte. Das war toll. Ich konnte am anderen Ende des Zimmers sitzen, und meine Stimme war aus dem Goldfisch zu hören.« Sie begann mit Piepsstimme zu sprechen, ohne die Lippen zu bewegen, und man hätte glauben können, es wäre die Nonne ohne Namen, die den denkwürdigen Satz von sich gab: Hallo, ich bin Binky, der Fisch, und wenn du versuchst, mich auf ein Sandwich zu legen und zu essen, scheiße ich auf die Mayonnaise. Ohne die schockierten Reaktionen der Ordensleute zu beachten, fuhr sie in ihrer eigenen Stimme fort: »Das ist auch so ein Problem mit Krüppeln wie mir. Wir neigen dazu, unverschämt zu sein, weil wir wissen, daß niemand sich traut, uns den Arsch zu versohlen.«
    Schwester Immaculatas Miene ließ vermuten, daß sie sich das durchaus zutraute, aber sie murmelte nur etwas von Fernsehverbot bis Ende der Woche.
    Hatch, dem die Nonne zunächst so furchterregend vorgekommen war, nahm ihre finstere Miene jetzt nur noch aus den Augenwinkeln wahr, weil er seinen Blick nicht von dem Mädchen wenden konnte.
    Regina plapperte weiter fröhlich drauflos. »Abgesehen davon, daß ich manchmal ein superfreches Mundwerk habe, müssen Sie auch noch wissen, daß ich wahnsinnig ungeschickt bin, wenn ich wie John Silver herumhinke – das war übrigens ein phantastisches Buch, diese Schatzinsel … Aber was ich sagen wollte – höchstwahrscheinlich werde ich jeden wertvollen Gegenstand in Ihrem Haus kaputtmachen. Natürlich nicht absichtlich, sondern einfach, weil ich so ein Trampel bin. Haben Sie für so was die nötige Geduld? Ich möchte nämlich nicht bewußtlos geprügelt und in eine Dachkammer gesperrt werden, nur weil ich ein armer tollpatschiger Krüppel bin. Dieses Bein sieht ja gar nicht mal so übel aus, und wenn ich regelmäßig weitertrainiere, wird es sich wahrscheinlich noch ganz passabel rausmachen, aber es ist nicht gerade kräftig, und

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