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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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geschwebt, und als Jimmy dann endlich geboren war, hatten die Ärzte Lindsey eröffnet, daß sie keine Kinder mehr bekommen könnte.
    Die Nonne ohne Namen blieb endlich stehen, zog den weiten Ärmel ihres Habits hoch und schaute auf die Uhr. »Vielleicht sollte ich einmal nachsehen, wo sie so lange bleibt.«
    »Lassen Sie dem Kind noch ein wenig Zeit«, sagte Schwester Immaculata ruhig, während sie mit plumper Hand über die Falten ihres Habits strich. »Wenn Sie nachsehen, wird sie das Gefühl haben, daß sie ihr nicht zutrauen, allein zurechtzukommen. Es gibt auf der Damentoilette nichts, womit sie nicht selber fertig werden könnte. Ich glaube nicht einmal, daß sie wirklich hin mußte. Wahrscheinlich wollte sie nur vor dem Treffen noch ein paar Minuten allein sein, um sich zu beruhigen.«
    An Lindsey und Hatch gewandt, sagte Pater Jiminez: »Bitte entschuldigen Sie diese Verspätung.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.« Hatch rutschte auf dem Sofa hin und her. »Wir verstehen das gut. Wir sind nämlich selbst ein bißchen nervös.«
    Erste Erkundigungen hatten ergeben, daß unzählige Ehepaare – eine regelrechte Armee – darauf warteten, ein Adoptivkind vermittelt zu bekommen. Manche wurden schon seit zwei Jahren immer wieder vertröstet. Und nachdem Hatch und Lindsey schon fünf Jahre kinderlos waren, fehlte ihnen die Geduld, sich auf eine lange Warteliste setzen zu lassen.
    Ihnen blieben deshalb nur zwei Möglichkeiten. Sie konnten versuchen, ein Kind aus einer anderen Rasse zu adoptieren – ein schwarzes, asiatisches oder lateinamerikanisches. Die meisten potentiellen Adoptiveltern waren Weiße und warteten auf ein weißes Baby, das sie als ihr eigenes ausgeben konnten, während sich für ganze Scharen von Waisen der verschiedenen Minderheiten die Träume, zu einer Familie zu gehören, nie erfüllten. Die Hautfarbe spielte weder für Hatch noch Lindsey eine Rolle. Sie wären über jedes Kind glücklich gewesen, unabhängig von dessen Herkunft. In den letzten Jahren hatte ein irregeleiteter, übertriebener Wohltätigkeitsfimmel im Namen der Bürgerrechte jedoch zur Einführung verschiedener Vorschriften und Regelungen geführt, die eine Adoption von Kindern einer anderen Rasse verhindern sollten, und pedantische Bürokraten in allen Institutionen sorgten für eine strikte Durchsetzung dieser Bestimmungen. Die Theorie dabei war, daß kein Kind wirklich glücklich sein konnte, wenn es außerhalb seiner ethnischen Gruppe aufwuchs. Ein Musterbeispiel für den elitären Unsinn – und den ins Gegenteil verkehrten Rassismus –, den Soziologen und sonstige Akademiker verzapften, ohne die einsamen Kinder zu befragen, die sie zu beschützen vorgaben.
    Die zweite Möglichkeit war, ein behindertes Kind zu adoptieren. Verglichen mit den unzähligen fremdrassigen Waisenkindern gab es nicht viele behinderte, selbst wenn man jene Quasi-Waisen mitrechnete, deren Eltern irgendwo lebten, die aber wegen ihrer Beeinträchtigungen unerwünscht waren und der Obhut von Staat oder Kirche übergeben wurden. Doch obwohl sie nicht sehr zahlreich waren, gab es für Behinderte noch weniger Interessenten als für Minderheiten-Kinder. Der immense Vorteil war, daß sich im Augenblick keine politische Gruppierung für die angeblichen Anliegen dieser Kinder stark machte. Früher oder später würde eine Marschkolonne von Irrsinnigen zweifellos Gesetze erzwingen, denen zufolge ein grünäugiges, blondes, taubes Kind nur von grünäugigen, blonden, tauben Eltern adoptiert werden konnte, aber Hatch und Lindsey hatten das Glück, ihren Antrag gestellt zu haben, noch bevor die Mächte des Chaos das Heft in die Hand genommen hatten. Wenn er an die unangenehmen Bürokraten dachte, mit denen sie es vor sechs Wochen zu tun gehabt hatten, als sie sich zur Adoption entschlossen, wäre er am liebsten zu diesen Vermittlungsbehörden zurückgegangen und hätte die Sozialarbeiter erdrosselt, die ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten. Einfach um ihnen ein bißchen gesunden Menschenverstand reinzuwürgen. Wenn er diesen Wunsch hier laut sagen würde, wären die guten Nonnen und Priester des Waisenhauses St. Thomas sicher ganz wild darauf, ihm einen ihrer Schützlinge anzuvertrauen!
    »Und Sie fühlen sich nach wie vor gut, haben nicht unter irgendwelchen negativen Auswirkungen Ihrer Schicksalsprüfung zu leiden? Keine Schlafprobleme, gesunder Appetit?« erkundigte sich Pater Jiminez. Er wollte ganz offenkundig nur Konversation

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