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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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aufgegangen war – totalen Mist gebaut! – und was sie genau gewußt hatte, als Mr. Harrison den Witz über die Kaviar-Pyjamas machte und damit bewies, daß er Sinn für Humor hatte. Aber mittlerweile war sie so mit ihrer Rolle verwachsen, daß sie nicht mehr aufhören konnte, ekelhaft und gehässig zu sein – so ein Blödhammel! Jetzt feierten die Harrisons bestimmt, daß sie gerade noch mal davongekommen waren, und betranken sich, oder sie knieten in einer Kirche, weinten vor Erleichterung, beteten den Rosenkranz und dankten der Muttergottes, daß sie eingegriffen und ihnen den Mißgriff erspart hatte, dieses schreckliche Mädchen zu adoptieren. Scheiße! (O je, ein ordinärer Ausdruck! Aber das war nicht so schlimm wie wenn man den Namen Gottes mißbrauchte. Lohnte es sich überhaupt, das bei der Beichte zu erwähnen?) Obwohl sie keinen Appetit hatte und trotz Carls dummer Späße aß sie ihr ganzes Abendessen auf, aber nur, weil Gottes Polizisten, die Nonnen, sie nicht aufstehen lassen würden, solange ihr Teller nicht leer wäre. Die Früchte im Zitronengelee waren ausgerechnet Pfirsiche, der Alptraum an sich. Ihr war schleierhaft, wie jemand Zitronen und Pfirsiche miteinander kombinieren konnte. Okay, Nonnen waren nicht sehr weltlich, aber sie verlangte schließlich auch nicht, daß sie lernen sollten, welcher seltene Wein zum gebratenen Lendenstück eines Schnabeltiers paßte, um Gottes willen! (Verzeih mir bitte, Gott!). Ananas und Zitronengelee, in Ordnung. Birnen und Zitronengelee, auch in Ordnung. Sogar Bananen und Zitronengelee. Aber Pfirsiche in Zitronengelee waren für ihre Begriffe genauso schlimm wie Reispudding mit Wassermelonenstücken anstelle von Rosinen, mein Gott noch mal! (Verzeih mir, Gott!). Sie schaffte es trotzdem, das Zeug zu essen, indem sie sich einredete, daß es noch viel schlimmer hätte kommen können: Die Nonnen hätten tote Mäuse im Schokoladenmantel servieren können – obwohl sie keine Ahnung hatte, warum ausgerechnet Nonnen so etwas tun sollten. Aber sich etwas Schlimmeres vorzustellen als das, womit sie es gerade zu tun hatte, war ein Trick, der meistens funktionierte, eine Technik, sich selbst auszutricksen, die sie schon oft angewandt hatte. Bald war das gräßliche Gelee verschwunden, und sie konnte den Speisesaal verlassen. Nach dem Abendessen gingen die meisten Kinder in den Aufenthaltsraum, um Monopoly und andere Spiele zu spielen, oder in den Fernsehraum, um sich in der Glotze irgendeinen Blödsinn anzuschauen, aber sie verschwand wie immer auf ihr Zimmer. Sie verbrachte die meisten Abende mit Lesen. Aber diesen nicht. An diesem Abend wollte sie sich selbst bemitleiden und über ihren Status einer Weltklasse-Verpatzerin nachdenken (nur gut, daß Dummheit keine Sünde ist!), um nie wieder zu vergessen, wie blöd sie gewesen war, und um sich nie wieder so idiotisch aufzuführen.
    Während sie sich fast so schnell wie ein Kind mit zwei gesunden Beinen über die gefliesten Böden bewegte, fiel ihr ein, wie sie ins Büro des Anwalts gehinkt war, und dabei stieg ihr die Röte ins Gesicht. Und als sie in ihrem Zimmer, das sie mit einem blinden Mädchen namens Winnie teilte, ins Bett sprang und sich auf den Rücken warf, dachte sie daran, wie sie vor den Harrisons absichtlich besonders ungeschickt in den Stuhl geplumpst war. Sie errötete noch stärker und legte beide Hände über ihr Gesicht.
    »Reg«, sagte sie leise in ihre Hände hinein, »du bist doch das größte Arschloch auf der ganzen Welt.« (Noch ein Punkt für die nächste Beichte: lügen und täuschen und Gottes Namen mißbrauchen. Und nun auch noch: wiederholt ordinäre Wörter benutzen.) »Scheiße, Scheiße, Scheiße!« (Das würde eine lange Beichte werden.)
5
    Als Redlow zu sich kam, waren seine diversen Schmerzen so schlimm, daß sie seine Aufmerksamkeit hundertprozentig beanspruchten. Er hatte so gräßliches Kopfweh, daß er in der Fernsehwerbung unschlagbar überzeugend gewesen wäre: Man hätte neue Aspirinfabriken eröffnen müssen, um die sprunghaft gestiegene Nachfrage zu befriedigen. Ein Auge war zur Hälfte zugeschwollen. Seine Lippen waren aufgeplatzt und fühlten sich riesengroß und taub an. Sein Nacken brannte, er hatte Magenstiche, und in seinen Hoden pochte es dermaßen, daß allein schon der Gedanke, aufstehen und gehen zu müssen, ihm Übelkeit verursachte.
    Allmählich fiel ihm ein, was passiert war: Der Bastard hatte ihn total überrascht und überwältigt. Dann merkte er, daß er nicht

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