Das Versteck
einem Winkel des Parks gefunden hatte.
Wenn es nachts regnete, badete er gern im Freien und benutzte den Wolkenbruch als Dusche. Bei Gewittern suchte er dazu den höchsten Punkt des gepflasterten Geländes auf, in der Hoffnung, daß Satan ihn begnadigen und mit Hilfe eines Blitzschlags ins Land der Toten zurückrufen würde. Aber die Regenzeit war in Südkalifornien jetzt vorbei und würde höchstwahrscheinlich erst im Dezember wieder einsetzen. Falls er der Rückkehr in die Schar der Toten und Verdammten vorher für würdig befunden würde, müßte seine Befreiung aus der verhaßten Welt der Lebenden auf irgendeine andere Weise als durch einen Blitz erfolgen.
Ein- oder zweimal pro Woche mietete er ein Motelzimmer, um zu duschen und sich gründlicher zu pflegen, als das unter den primitiven Bedingungen seines Schlupfwinkels möglich war, allerdings nicht, weil Hygiene ihm besonders viel bedeutete. Schmutz hatte durchaus seine Reize. Im Hades, nach dem er sich so sehnte, bestanden Luft und Wasser aus verschiedenartigstem Schmutz. Aber solange er unter den Lebenden weilte und sich hier seine Opfer suchte, um seine Sammlung zu vergrößern, die ihm die Pforten der Hölle öffnen sollte, mußte er bestimmte Konventionen beachten, wenn er nicht unangenehm auffallen und sich dadurch in Gefahr bringen wollte. Dazu gehörte ein Minimum an Reinlichkeit.
Vassago benutzte immer dasselbe Motel, das Blue Skies , ein schäbiges Loch am Südrand von Santa Ana, wo der unrasierte Mann am Empfang nur Bargeld akzeptierte, nicht nach dem Ausweis fragte und den Gästen nie in die Augen sah, so als fürchtete er sich vor dem, was er in ihren Augen – oder sie in seinen – sehen könnte. Die ganze Gegend war ein Sumpf voller Drogenhändler und Nutten. Vassago war einer der wenigen Männer, die keine Huren mit aufs Zimmer nahmen. Er blieb aber immer nur ein oder zwei Stunden, was der Aufenthaltsdauer der Durchschnittsgäste entsprach, und er genoß dieselbe Anonymität wie all jene, die sich grunzend, keuchend und schwitzend in den Nachbarzimmern vergnügten.
Er hätte nicht ständig hier leben können, allein schon wegen dieser widerlichen, geräuschvollen Paarungen, die ihn in Wut brachten und ihm mit ihrem frenetischen und lebensvollen Rhythmus der Begierde Übelkeit verursachten. Diese schwüle Atmosphäre erschwerte klares Denken und machte es unmöglich auszuruhen, obwohl er sich früher, als er noch einer der Lebenden gewesen war, gerade an den Ausschweifungen und Perversionen dieses Ortes ergötzt hatte.
Kein anderes Motel, keine andere Pension wäre sicher gewesen. Überall hätte er sich ausweisen müssen. Außerdem war es ihm nur bei sehr oberflächlichem Kontakt mit den Lebenden möglich, als einer von ihnen durchzugehen. Jeder Empfangschef oder Wirt, der sich näher für ihn interessieren und ihn häufiger sehen würde, könnte nicht umhin zu bemerken, daß dieser Gast sich von normalen Menschen auf undefinierbare, aber höchst beunruhigende Weise unterschied.
Es gab also gute Gründe, weshalb er den Vergnügungspark als Hauptquartier vorzog. Dort würden die Behörden, die nach ihm fahndeten, ihn am allerwenigsten vermuten. Noch wichtiger war aber, daß es dort Einsamkeit, Grabesstille und totale Finsternis gab, in die er tagsüber entfliehen konnte, wenn die grelle Sonne für seine Augen unerträglich wurde. Motels waren nur zwischen Abend- und Morgendämmerung erträglich.
Als er an diesem angenehm warmen Donnerstagabend das Büro des Motels mit seinem Zimmerschlüssel verließ, fiel ihm ein Pontiac am äußersten Rand des Parkplatzes auf. Er war so abgestellt, daß die Motorhaube in Richtung Büro wies. Der Wagen war auch am Sonntag hier gewesen, als Vassago das Blue Skies zuletzt aufgesucht hatte. Ein Mann saß hinter dem Steuer und schien zu schlafen. Vielleicht döste er auch nur vor sich hin, während er auf jemanden wartete. Er hatte auch am Sonntagabend dort gesessen. Seine Gesichtszüge waren im Dunkeln nicht zu erkennen, zumal die Windschutzscheibe das Licht der Parkplatzbeleuchtung reflektierte.
Vassago fuhr seinen Camaro zu Zimmer 6, etwa in der Mitte des langen Flügels des L-förmigen Motels, parkte vor dem Gebäude und schloß die Zimmertür auf. Er hatte außer sauberer Kleidung zum Wechseln nichts bei sich – ausschließlich schwarze Kleidungsstücke wie jene, die er am Leibe trug.
Im Zimmer schaltete er kein Licht ein. Das tat er nie.
Eine Zeitlang stand er an die Tür gelehnt da und dachte
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