Das Versteck
Flut der Ekstase den Gipfel erreicht hatte und allmählich verebbte, waren die Worte »Ich liebe dich«, die in die Stille fielen, eigentlich überflüssig, aber sie waren trotzdem Musik in den Ohren und machten glücklich.
Dieser Apriltag gehörte vom ersten Blick auf das Morgenlicht bis zum Einschlafen zu den schönsten ihres Lebens. Die Ironie des Schicksals wollte es, daß die folgende Nacht für Hatch eine der schlimmsten Nächte seines Lebens werden sollte, seltsam und erschreckend.
Gegen elf hatte sich Vassago der Leiche des Detektivs auf höchst befriedigende Weise entledigt. In Redlows Pontiac fuhr er ins Blue Skies Motel zurück, nahm endlich die lange heiße Dusche, die er sich für diesen Abend vorgenommen hatte, zog saubere Kleider an und verließ das Motel mit dem festen Vorsatz, es nie wieder zu betreten. Wenn Redlow ihn hier gefunden hatte, war er hier nicht mehr sicher.
Er fuhr einige Blocks in seinem Camaro und stellte den Wagen in einer Straße mit verwahrlosten Industriebauten ab, wo er wahrscheinlich wochenlang unbemerkt stehen würde, bis er entweder gestohlen oder von der Polizei abgeschleppt wurde. Er hatte ihn einen Monat lang benutzt – das Erbstück einer der Frauen, die er in seine Sammlung aufgenommen hatte. Er hatte die Kennzeichen mehrmals ausgewechselt, indem er in den Stunden vor Tagesanbruch die Nummernschilder geparkter Autos abmontierte.
Er kehrte zu Fuß zum Motel zurück und fuhr in Redlows Pontiac davon. Der Wagen war nicht so schneidig wie der silberfarbene Camaro, aber er würde sich in den nächsten Wochen damit bescheiden können.
Sein Ziel war das Rip It , ein von Neo-Punks frequentierter Nachtklub in Huntington Beach, wo er im dunkelsten Winkel des Parkplatzes anhielt. Im Kofferraum fand er einen Werkzeugkasten, entfernte mit Schraubenzieher und Zange die Nummernschilder und vertauschte sie mit den Kennzeichen eines daneben geparkten schäbigen grauen Ford. Dann fuhr er ans andere Ende des Parkplatzes und stellte den Pontiac dort ab.
Vom Meer her fiel dichter Nebel ein, feuchtkalt wie etwas Totes. Palmen und Telefonmasten verschwanden, so als hätte die Nebelsäure sie aufgelöst, und die Straßenlampen glichen in der Dunkelheit gespenstischen Irrlichtern.
Der Nachtklub war ganz nach Vassagos Geschmack. Laut, schmutzig und dunkel. Es stank nach Rauch, verschüttetem Alkohol und Schweiß. Die Band produzierte härtere Musik, als er sie anderswo je gehört hatte, hämmerte jede Nummer mit wilder Rage herunter, verzerrte die Melodie fast bis zur Unkenntlichkeit, entstellte sie zu einer Abfolge ohrenbetäubender Rhythmen, die sich stumpfsinnig wiederholten. Mit Hilfe riesiger Verstärker wurde ein derartiger Lärm erzeugt, daß die schmierigen Fensterscheiben klirrten und einem fast das Trommelfell platzte.
Die Menge war energiegeladen, high von verschiedenartigsten Drogen; manche waren betrunken, viele gefährlich. Die bevorzugte Kleiderfarbe war schwarz, so daß Vassago gut ins Bild paßte. Und er war auch nicht der einzige, der eine Sonnenbrille trug. Hier verkehrten auch Skinheads beiderlei Geschlechts, andere trugen einen kurzen Bürstenschnitt. Was hier allerdings völlig fehlte, waren die verspielten Auswüchse – riesige spitz abstehende Fransen und farbenprächtige Irokesenkämme –, die für den frühen Punk typisch gewesen waren. Auf der überfüllten Tanzfläche wurde geschoben und angerempelt und in vielen Fällen sicher auch abgetatscht, aber keiner hier hatte je Unterricht in einem Arthur-Murray-Studio genommen oder »Soul Train« gesehen.
An der verschrammten, klebrig-schmutzigen Bar deutete Vassago auf das Corona, eine von sechs Biersorten, die im Regal standen. Er bezahlte und nahm dem Barkeeper die Flasche ab, ohne auch nur ein Wort sagen zu müssen. Er trank im Stehen und ließ seinen Blick dabei aufmerksam über die Menge schweifen.
Nur wenige Gäste unterhielten sich, ob sie nun an der Bar und an den Tischen saßen oder entlang der Wände herumstanden. Die meisten schwiegen verdrossen, nicht etwa, weil die dröhnende Musik eine Konversation fast unmöglich machte, sondern weil sie die neue Generation einer entfremdeten Jugend repräsentierten, einer Jugend, die nicht nur der Gesellschaft den Rücken gekehrt, sondern sich auch untereinander nichts mehr zu sagen hatte. Diese jungen Leute waren davon überzeugt, daß die Befriedigung ihrer Gelüste der einzige Sinn des Lebens war, daß es keine lohnenden Gesprächsthemen gab, daß sie
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