Das Versteck
Donner … wie das Ende der Welt …« Er hatte den bitteren Geschmack von Magensäure in der Kehle. »Sie wurde gegen die Tür geschleudert, war auf der Stelle tot, aber die Tür flog weit auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Er wollte sie für seine Sammlung haben, aber sie wurde in die Dunkelheit gerissen, rollte wie eine leere Dose über den Asphalt …«
Noch ganz in der Erinnerung an seinen Traum befangen, trat er hart auf die Bremse, wie es der Mörder getan hatte.
»Hatch, nein!«
Ein Auto, dann ein zweites und drittes, wichen in letzter Sekunde chromblitzend und glasfunkelnd aus, die Hupen bellten. Um ein Haar wäre es zu einem Unfall gekommen.
Hatch schüttelte die Erinnerungen ab, gab wieder Gas und reihte sich in den Verkehrsfluß ein. Er wußte, daß er aus den anderen Wagen angestarrt wurde.
Diese neugierigen Blicke waren ihm jedoch völlig egal, denn er hatte wie ein Bluthund die Witterung aufgenommen. Es war natürlich kein Geruch im eigentlichen Sinne, dem er folgte. Es war ein undefinierbares Etwas, das ihn leitete, vielleicht telepathische Schwingungen, eine durch den Mörder bewirkte Störung im Äther, ähnlich der Spur in der Meeresoberfläche, die eine Haiflosse hinterläßt. Nur mit dem Unterschied, daß der Äther sich offenbar nicht so schnell regenerierte wie Wasser.
»Er wollte ursprünglich zurückfahren, um sie zu holen, sah aber ein, daß es hoffnungslos war, und fuhr dann weiter.« Hatch hörte selbst, daß seine Stimme leise und rauh war, so als gäbe er schmerzhafte Geheimnisse preis.
»Dann habe ich die Küche betreten, und du hast so merkwürdige Laute von dir gegeben, gekeucht und gewürgt«, berichtete Lindsey. »Du hast die Arbeitsplatte so fest umklammert, als wolltest du den Granit zerbrechen. Ich dachte, du hättest einen Herzanfall …«
»Er ist sehr schnell gefahren«, sagte Hatch, beschleunigte selbst aber nur wenig, »hundert … hundertzehn … noch schneller … er wollte möglichst weit entfernt sein, wenn der nachfolgende Verkehr auf die Leiche stieß …«
Lindsey erkannte, daß er nicht einfach Spekulationen anstellte. »Du erinnerst dich an mehr, als du geträumt hast, über den Zeitpunkt hinaus, als ich in die Küche kam und dich weckte.«
»Das sind keine Erinnerungen«, sagte er heiser.
»Was dann?«
»Ich fühle es.«
»Jetzt?«
»Ja.«
»Wie?«
»Irgendwie.« Er konnte es einfach nicht besser erklären. »Irgendwie«, flüsterte er und hatte das beklemmende Gefühl, als würde das weite flache Land auf beiden Seiten der Straße sich trotz der heilen Morgensonne verdunkeln, als würfe der Mörder einen mächtigen Schatten, der auch noch Stunden, nachdem er selbst verschwunden war, zurückblieb. »Hundertzwanzig … hundertdreißig … fast hundertvierzig Stundenkilometer … obwohl die Sichtweite nicht mehr als dreißig Meter betrug.« Wenn vor ihm im Nebel ein Fahrzeug unterwegs gewesen wäre, hätte es einen katastrophalen Auffahrunfall gegeben. »Er hat nicht gleich die erste Ausfahrt genommen, wollte weiter weg … raste dahin … raste …«
Um ein Haar hätte er die Ausfahrt zur State Route 133 verpaßt, die nach Laguna Beach führte. Im letzten Moment trat er hart auf die Bremse und riß das Steuer nach rechts herum. Der Mitsubishi drohte zu schleudern, aber als sie die Autobahn verließen, verringerte Hatch das Tempo und bekam den Wagen sofort wieder unter Kontrolle.
»Ist er hier abgebogen?« fragte Lindsey.
»Ja.«
Hatch fuhr auf der nun folgenden Straße nach rechts.
»Wollte er nach Laguna Beach?«
»Ich … ich glaube nicht.«
Er bremste an einer Kreuzung ab und blieb auf der Standspur stehen. Vor ihnen erstreckte sich hügeliges Land, mit braunem Gras bedeckt. Wenn er geradeaus weiterfuhr, würde er zum Laguna Canyon gelangen, wo die Wildnis noch nicht erschlossen war, wo sich noch keine Häuser aneinanderreihten. Fast bis Laguna Beach war die Strecke von Buschland und vereinzelten Eichen gesäumt. Der Mörder hätte aber auch nach links oder rechts abbiegen können. Hatch blickte in beide Richtungen, auf der Suche nach … ja, wonach eigentlich? Nach irgendwelchen unsichtbaren Hinweisen, die ihn hierher geführt hatten.
Nach kurzer Zeit fragte Lindsey: »Du weißt nicht, wohin er von hier aus gefahren ist?«
»Versteck.«
»Was?«
Hatch blinzelte. Er wußte selbst nicht genau, warum er dieses Wort gewählt hatte. »Er ist zu seinem Versteck gefahren … unter die Erde …«
»Unter die Erde?« Lindsey betrachtete
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