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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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mit Opferschalen und glasig verzückten Augen wäre ihm lieber gewesen.
    »Wenn es nicht irgendeine übersinnliche Fähigkeit ist«, fragte Lindsey beharrlich, »was ist es dann?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Das ist keine gute Erklärung.«
    »Vielleicht geht es vorbei, passiert nie wieder. Vielleicht war es nur Zufall.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    »Na ja … ich möchte es glauben.«
    »Wir müssen uns damit auseinandersetzen.«
    »Warum?«
    »Wir müssen versuchen, es zu verstehen.«
    »Warum?«
    »Frag nicht ständig ›warum‹, wie ein fünfjähriges Kind.«
    »Warum?«
    »Jetzt mal ganz im Ernst, Hatch. Eine Frau ist tot. Vielleicht war sie nicht die erste. Vielleicht ist sie nicht die letzte gewesen.«
    Er legte seine Gabel auf den halb geleerten Teller und trank einen großen Schluck Orangensaft, um die Bratkartoffeln herunterzuspülen. »Okay, also gut, es ist so was wie eine übersinnliche Vision, genauso, wie sie in Filmen gezeigt werden. Aber es ist mehr als nur das. Unheimlicher.«
    Er schloß die Augen, versuchte irgendeine Analogie zu finden. Als ihm etwas einfiel, öffnete er die Augen wieder und sah sich im Restaurant um, um sicher zu sein, daß keine neuen Gäste an einem der Nebentische Platz genommen hatten.
    Er betrachtete voller Bedauern seinen Teller. Seine Eier wurden kalt. Er seufzte.
    »Du kennst doch diese Berichte«, sagte er, »denen zufolge eineiige Zwillinge, die gleich nach der Geburt getrennt werden und Tausende von Kilometern voneinander entfernt bei völlig unterschiedlichen Adoptiveltern aufwachsen, trotzdem ähnliche Lebenswege haben.«
    »Natürlich habe ich davon schon gehört. Und?«
    »Sogar bei völlig unterschiedlichem Hintergrund, bei völlig verschiedener Erziehung, wählen sie ähnliche Berufe, erreichen etwa das gleiche Einkommen, heiraten Frauen, die einander sehr ähnlich sind, und geben ihren Kindern sogar dieselben Namen. Es ist geradezu unheimlich. Und sogar wenn sie nicht wissen, daß sie Zwillinge sind, wenn man ihnen bei der Adoption gesagt hat, sie wären Einzelkinder, fühlen sie immer, über große Entfernungen hinweg, daß es da draußen noch etwas gibt, auch wenn sie nicht wissen, wen oder was sie suchen. Niemand kann diese Bindung erklären, nicht einmal Genforscher.«
    »Und was hat das mit dir zu tun?«
    Er zögerte, nahm seine Gabel zur Hand. Er wollte nicht reden, sondern essen. Essen beruhigte. Aber sie würde ihm keine Ruhe lassen. Seine Eier waren fast schon geronnen. Seine Beruhigungsmittel! Er legte die Gabel wieder hin.
    »Manchmal«, sagte er, »sehe ich mit den Augen dieses Kerls, wenn ich schlafe, und jetzt spüre ich ihn manchmal sogar, wenn ich wach bin, und das ist wie diese übersinnlichen Phänomene in Filmen, okay. Aber da ist außerdem diese … diese Verbindung zu ihm, die ich dir wirklich nicht erklären oder beschreiben kann, auch wenn du mir Löcher in den Bauch fragst.«
    »Du willst doch wohl nicht sagen, daß er dein Zwillingsbruder oder so was Ähnliches ist?«
    »Nein, nein. Ich glaube, daß er viel jünger ist als ich, vielleicht erst zwanzig oder einundzwanzig. Und kein Blutsverwandter. Aber es ist eine ähnlich geheimnisvolle Verbindung wie die zwischen Zwillingen, so als hätten er und ich etwas Wichtiges gemeinsam, als teilten wir irgendeine wesentliche Erfahrung.«
    »Beispielsweise?«
    »Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüßte es.« Dann beschloß er aber, ganz ehrlich zu sein. »Vielleicht wünsche ich es mir auch nicht .«
    Später, als die Kellnerin die leeren Teller abgeräumt und starken schwarzen Kaffee serviert hatte, sagte Hatch: »Ich habe nicht die Absicht, zur Polizei zu gehen und meine Hilfe anzubieten, falls es das ist, was dir vorschwebt.«
    »Es ist die Pflicht jedes …«
    »Ich weiß sowieso nichts, was der Polizei helfen könnte.«
    Sie blies auf ihren heißen Kaffee. »Du weißt immerhin, daß er einen Pontiac fuhr.«
    »Ich glaube nicht, daß es sein Wagen war.«
    »Wessen dann?«
    »Vielleicht gestohlen.«
    »War das auch etwas, das du gespürt hast?«
    »Ja. Aber ich weiß nicht, wie er aussieht, wie er heißt, wo er wohnt … ich weiß überhaupt nichts Nützliches.«
    »Und wenn dir nun etwas Brauchbares einfällt? Wenn du etwas siehst, was der Polizei helfen könnte?«
    »Dann werde ich anonym anrufen.«
    »Sie werden die Information ernster nehmen, wenn sie wissen, wer du bist.«
    Er fühlte sich durch das Eindringen dieses geisteskranken Fremden in sein Leben vergewaltigt.

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