Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
hatte er sich von seinem Vater verabschiedet, als wäre es die letzte Begegnung gewesen. Allen seinen Geschwistern hatte er geschrieben und die Briefe bei seinem Anwalt hinterlegt für den Fall seines Todes. Eine beklemmende und sehr reale Möglichkeit.
Obwohl ihn Delanies überstürzte Abreise verwirrt und gekränkt hatte, war er dankbar für das wunderbare Wochenende, an das er sich stets erinnern würde.
Vielleicht hatten die Jahre, die seither vergangen waren, die Erinnerung verklärt, weil er etwas brauchte, das ihn aufrechterhielt. Aber er hatte wohl zu viel in jene gemeinsamen Stunden hineingeheimnisst.
Selbst wenn sie
nicht
geflohen wäre, hätte er ihr nichts bieten können. Damals nicht. Und wahrscheinlich würde er’s niemals schaffen. Am nächsten Morgen war er selbst abgereist.
Im Grunde hatte sie ihn nur um ein paar weitere Stunden betrogen. Mehr durfte er ihr nicht verübeln.
Trotzdem fühlte er sich verraten und verkauft, als sie in jener Nacht verschwand. Der Sex war traumhaft gewesen, berauschend, fantastisch. Aber Kyle glaubte, sie hätten sich auch auf einer höheren Ebene gefunden, auf der er keiner anderen Frau begegnet war, weder vorher noch nachher.
Die Mim gerunzelt, drehte er sein Glas in einer kleinen Pfütze auf dem zerkratzten Tisch herum. Zum Teufel, nur weil sie sich höchstens eine Stunde unterhalten hatten, ehe sie in ihr Hotelzimmer gegangen waren, bedeutete das keineswegs, dass sie sich dauernd so benahm.
Für sie war er der Erste gewesen.
Um Himmels willen eine
Vorschullehrerin!
Danach war sie wie eine Rauchwolke verschwunden. Trotzdem glaubte er keine Sekunde lang, sie hätte sich bereit erklärt, mit Montero zu schlafen. Sie mochte es glauben 一
er
nicht. Ein Flittchen zu spielen und eins zu sein das war zweierlei. Es fiel ihr sogar schwer, die hart gesottene Nutte zu mimen.
Jetzt musste er sie in Sicherheit bringen und dann irgendjemanden beauftragen, ihre Schwester aufzuspüren. Danach wollte er Delanie in Sacramento wiedersehen und sich um einen neuen Anfang bemühen.
Beim dritten Mal würde er vielleicht Glück haben.
Vermutlich kannte er sie nicht so gut, wie er sich’s einbildete. Aber Drogen hin, Drogen her niemals wurde sie einem anderen Mann erlauben, sie so zu berühren, wie er´s getan hatte.
Verdammt, sie gehörte zu
ihm
.
Er grinste gequält. Idiot. Warum fühlte er sich benutzt? Welch ein Witz.
Das kurze Gespräch mit Delanie, vorhin im Hotelzimmer, hatte ihm etwas glasklar vor Augen geführt. Eine eisige Faust schien seinen Magen zu zerquetschen.
Im Gegensatz zu ihm selbst, der stets einen Rückhalt bei seiner liebevollen Familie gefunden hatte, musste sie für ihre Familie sorgen. Eine leichtfertige Mutter, eine noch frivolere Schwester, ein abwesender Vater. Offenbar konzentrierte sie sich lieber auf die Probleme anderer, als eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Das Gefühl, von ihrer Verwandtschaft gebraucht zu werden, war sehr wichtig. Und sie nahm ihre Verantwortung ernst.
Eigensinnig, unnachgiebig, unbeirrbar verließ sie sich nur auf sich selbst. Obwohl ihn das irritierte, bewunderte er ihre Courage, ihre Entschlossenheit, ihre unerschütterliche Loyalität. Nicht einmal, wenn ihr das Schicksal einen Strich durch die Rechnung machte, gab sie sich geschlagen.
Auch nicht, wenn er versucht war, alles hinzuschmeißen.
»He, Doc, lässt du dein Haar schneiden, wenn wir den Kerl festgenagelt haben? « Darius, ein T-FLAC-Mitglied, stand neben dem Tisch, und Kyle fluchte. Wieso hatte er ihn nicht herankommen sehen? Eines Tages könnte ihn diese Fahrlässigkeit umbringen.
»Ja, das wäre am besten allmählich nervt’s mich«, erwiderte er trocken, warf den langen Zopf über die Schulter nach hinten und schob für den jüngeren Mann einen Stuhl unter dem Tisch hervor. »Zum Teufel mit der Symbolik, wenn sie zum Ärgernis wird.«
»Um die Konzentration zu fördern, tun wir alle, was wir für nötig halten. « Dare setzte sich. »Warum bist du so schrecklich sauer? « Lose hing sein dichtes dunkles Haar auf die breiten Schultern. Über eine Wange zog sich eine runzlige Narbe und verzerrte die rechte Seite seiner Lippen zu einer ständigen mürrischen Grimasse. Sein Name, der »etwas wagen« bedeutete, passte zu ihm. Er strahlte zudem etwas Bedrohliches aus, so als würde er die Gesetze der Zivilisation nur widerstrebend befolgen.
»Ich war nur in Gedanken versunken«, entgegnete Kyle geistesabwesend. »Ja, ja 一 das ist genauso gefährlich wie
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