Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
Verwandten. Seit Jahren lagen sie ihr auf der Tasche. Klar, sie hatte ohnehin schon alle Hände voll zu tun. Trotzdem wollte sie das Baby.
Kyles
Baby, verdammt noch mal.
Von dieser heißen Sehnsucht getrieben, fühlte sie sich mies und eigensüchtig. Aber sie hatte es satt, als Einzige in ihrer Familie alle Schwierigkeiten zu meistern. Obwohl sie erst vierundzwanzig war, kam sie sich so alt vor wie Methusalem. Allein. Immer allein. Und nun wollte sie zum ersten Mal etwas für sich selbst tun. Sie würde Kyles Kind zur Welt bringen und lieben. Ganz egal, wie heftig sich die Verwandtschaft dagegen sträubte.
In den fünf Monaten nach den magischen, fast irrealen Tagen mit Kyle konzentrierte sie ihre ganze Liebe und alle Hoffnungen auf sein ungeborenes Kind.
Nur um ihre Tochter zu verlieren.
Danach hatte sie zitternd und frierend in einem Krankenzimmer gelegen und erkannt, wie wichtig ihr Kyles Baby gewesen wäre.
Die Finger gegen ihre Lider gepresst, wünschte Delanie, sie könnte weinen. Vielleicht würde es den Druck in ihrer Brust und hinter ihren Augen lindern. Aber es wäre reine Zeitverschwendung.
Stattdessen musste sie etwas tun. Sie schaute wieder zur leeren Straße hinüber. »Wo bleibst du so lange, du heimtückischer Hurensohn? «, flüsterte sie.
Vor anderthalb Stunden hatte sie der Taxifahrer am Flugplatz abgesetzt. Zu schade, dass sie nicht Spanisch sprach. Aus dem Autoradio war ohrenbetäubende spanische Rockmusik gedrungen und dann glücklicherweise von einer Kurzmeldung unterbrochen worden. Außer »El Presidente« verstand sie kein Wort. Jedes Mal, wenn sich der Fahrer bekreuzigte, geriet das Taxi ins Schleudern. Wegen seiner mangelnden Englischkenntnisse hatte er ihr nicht erklären können, was geschehen war.
Delanie entfernte ihren verschwitzten Rücken vom Ledersitz und beugte sich vor, als ein vertrauter verbeulter Jeep die Straße herabholperte, von einer roten Staubwolke verfolgt. Nur einen Meter von der Pilotentür entfernt, hielt das Vehikel.
Sichtlich verwirrt und wütend kletterte Kyle in den Hubschrauber und setzte sich ans Steuer. »Schließ die Tür! «, befahl er, knallte seine eigene zu und schnallte sich an. Dann startete er das Turbinentriebwerk, packte den Knüppel, und die Maschine rollte zur Startposition. Im selben Moment erschienen seine Verfolger zwischen den Bäumen. »Verdammt. « Also waren sie ihm dicht auf den Fersen.
»Hi, Kyle, hast du’s eilig? « Delanies Frage mischte sich in den schrillen Turbinenlärm. Verwundert musterte sie die Streifenwagen mit den blinkenden Lichtern und heulenden Sirenen, die von drei Militärfahrzeugen begleitet wurden. »Was hast du denn verbrochen? «
»Zieh den Kopf ein. « Angespannt beobachtete er das Messgerät, das die Drehzahl pro Minute anzeigte. Er hatte eine kalte Maschine gestartet. Viel zu langsam kam der Helikopter auf Touren. Ein verdammtes Risiko, in das er Delanie nicht hineinziehen dürfte.
Er fluchte lautlos.
Ein paar Meter vor dem Hubschrauber stoppten die Streifenwagen, dahinter die Lastwagen mit den Segeltuchplanen, die Palacios Soldaten ausspuckten. Auch die Polizisten stiegen aus und duckten sich, um den Erdklumpen auszuweichen, die Kyles Drehflügel umherwirbelten. Während die Soldaten Waffen aus den Lastern luden, erteilte jemand gellende Befehle.
Kyle warf Delanie einen kurzen Blick zu, um festzustellen, ob sie angeschnallt war und sich duckte. Nur eins von beidem genügte nicht. Er packte ihren Kopf, drückte ihn hinab, bis ihre Stirn die Knie berührten, und ignorierte ihren Protest. »Bleib unten! «
Vom Plexiglas an Delanies Seite prallte ein Geschoss ab, und sie zuckte zusammen. Ein Spinnennetz aus hauchdünnen Rissen überzog das Fenster. Aber es zerbrach nicht. Kyle erhöhte das Drehmoment und gab Gas. Im selben Augenblick wurde Monteros brandneuer Tiger ein zweites Mal angeschossen.
Kyle trat noch fester aufs Pedal. Zitternd stieg der Hubschrauber in einem Kugelhagel empor. Obwohl die Soldaten schlechte Schützen waren, fand immerhin ein Drittel der MISTRAL-Geschosse das Ziel. Das kugelsichere vordere Fenster konnten sie nicht durchbrechen, ebenso wenig die kräftige Kunststofffaser-Außenhaut zerstören aber den Tank.
Während der Helikopter langsam hochstieg, rannten die Soldaten und Polizisten auf dem Rollfeld umher. In einer engen Kurve drehte der Pilot ab. Sekundenlang schwebte der Hubschrauber knapp zehn Meter über dem Boden, dann bremste Kyle die Vorwärtsbewegung, um möglichst
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