Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
da und starrte in das verhärmte Gesichtchen. Dann bezwang sie den Aufruhr ihrer Gefühle und beugte sich vor. Sobald das Kind erkannte, dass es ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, rieb es seinen Zeigefinger am Daumen. Offenbar wollte es Geld haben.
»Sprichst du Englisch, Schätzchen? « Der halb erstickte Klang ihrer Stimme überraschte Delanie nicht. Flehend und hungrig schauten die braunen Augen zu ihr auf. In diesem Moment kam der Kellner aus dem Café und versuchte, das Kind wegzuscheuchen. Schreiend schwenkte es seine Schürze. Delanie räusperte sich. »Bitte, bringen Sie ihr ein Glas Milch und was zu essen. «
Das missfiel ihm. Aber er kehrte ins Lokal zurück und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Das kleine Mädchen wich ein paar Schritte zurück, lief aber nicht davon. Unverwandt spähte es in Delanies Gesicht.
Nach ein paar Minuten knallte der Mann einen gefüllten Teller auf den Tisch und verschüttete ein bisschen Milch aus dem Glas, das er daneben stellte. Delanie drückte ihm einige Geldscheine in die Hand, winkte das Kind zu sich und zeigte einladend auf den Teller.
Ohne Zögern folgte die Kleine der Aufforderung, wickelte ein Ei und Würstchen in eine Tortilla und stopfte sie in die Tasche ihres Rocks. Mit flinken Finger rollte sie eine zweite Tortilla zusammen, die sie hastig verschlang. Dabei ließ sie Delanie nicht aus den Augen.
Hilflos beobachtete Delanie, wie das Kind den Teller mit der letzten Tortilla abwischte. Viel mehr als ein paar Dollar konnte sie ihm nicht geben. Dann lief es davon, auf die Straße, wo es zwischen Autos und Fußgängern verschwand.
Ein verletzliches wehrloses Kind, ganz allein. Und Delanie vermochte nichts dagegen zu tun. Ihr gepeinigtes Herz folgte dem kleinen Mädchen. Noch schlimmer war ihr Selbstmitleid.
Dieses beklemmende Gefühl musste sie bekämpfen. Sofort.
Während zwei Soldaten in San Cristóbal-Militäruniformen zu ihrem Tisch schlenderten, umklammerte sie ihre Segeltuchtasche. Dann atmete sie auf. Die beiden gingen weiter, zu drei hübschen jungen Mädchen, die beim Zeitungskiosk neben dem Café standen.
Trotz der Hitze fröstelte sie.
Okay, sie war in einer bedrohlichen Situation auf sich allein gestellt, aber nicht völlig hilflos. Ihre Schwester interessierte Kyle kein bisschen. Wenn er sie hier warten ließ, bis sie Wurzeln schlug, hatte er nichts zu verlieren. Natürlich wusste er, dass sie niemanden finden würde, der sie auf den Izquierdo zurückbringen könnte.
Nein, er
wollte
sie nicht abholen. Der Bastard
rechnete
mit ihrer Feigheit und glaubte, sie würde es nicht mehr wagen, nach Lauren zu suchen.
Entschlossen stand sie auf, schlang den Riemen der Segeltuchtasche um ihre Schulter und winkte ein Taxi heran.
Zehn
D elanie saß auf dem Passagiersitz des Hubschraubers, neben der geöffneten Tür. In der windstillen, stickigen Luft klebten die Jeans wie ein feuchtes Leichentuch an ihren Beinen. Bald würde es regnen. Sie starrte zur leeren Sandstraße hinüber, die sich durch den Dschungel wand, und überlegte, ob Kyle zum Flugplatz kommen würde.
O ja, ganz sicher. Er würde wohl kaum zum Café fahren, um sie abzuholen.
Verdammt, verdammt, verdammt. Sie schob zwei Maalox in den Mund. Dann entschied sie, ein drittes würde nicht schaden. Das Plastikröhrchen im Schoß, schraubte sie den Verschluss ab. Ungeduldig schluckte sie noch eine Tablette.
Sie wünschte, das kleine Mädchen hätte die bedrückenden Erinnerungen nicht geweckt. Nicht hier. Nicht jetzt. Ihr Inneres fühlte sich so wund an wie vor drei Jahren im Krankenhaus.
Die Augen zusammengekniffen, sah sie die verschwommenen grünen Vorhänge der Notaufnahme an ihrer Trage vorbeirasen, hörte ihren eigenen Schmerzensschrei, und der unverwechselbare Geruch einer Klinik schien in ihre Nase zu steigen. Antiseptika. Höllenqualen. Verzweiflung. Tod. Als wäre sie wieder dort.
Allein.
In den sinnlosen Kampf verstrickt, die Ereignisse zu kontrollieren. Mit gemischten Gefühlen hatte sie ihre Schwangerschaft zur Kenntnis genommen Kyles Kind unter ihrem Herzen. Aber die erste Reaktion war ungetrübte Freude gewesen.
Dann erhob die Realität ihr hässliches Haupt. Ihre schockierte Familie verstand nicht, dass Delanie auch nur mit dem
Gedanken
spielte, das Baby zu gebären. Mit diesem Kind würde sie sich eine weitere Verantwortung aufbürden. Noch ein Maul, das gestopft werden musste. Noch jemand, der von ihr abhängig wäre.
Plötzlich verabscheute Delanie ihre
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