Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
Weg. Genauso musste er seine Sorge um Delanie beiseite schieben. Da die Zeit drängte, konnte er vermutlich nicht bei ihr bleiben, bis sie das Bewusstsein wiedererlangte. Er trat auf irgendetwas, das unter seinem Fuß zischte, und verließ den Teich, ohne sich umzudrehen.
Schwül, stickig und bedrückend, erinnerte ihn die Luft an seinen bitteren Hass gegen den Dschungel. Er verabscheute die klebrige Hitze, die bunten Insekten und ihre schmerzhaften Bisse, die roten Ameisen, die sich überall tummelten. Und die verdammten Schlangen, bleistiftdünn oder so dick wie seine Beine.
Durch den Baldachin der Bäume fiel goldgeflecktes Sonnenlicht herab. Kyle umrundete die Hazienda, um die andere Seite der Lichtung zu erreichen. Dort stand eine unauffällige Hütte, nur drei mal zwei Meter groß, vom Unterholz fast verborgen. Kyle ging zur Tür.
Schon vor Monaten hatte er die Hütte mit seinem Infrarot-Suchgerat entdeckt, ohne zu ahnen, welch gute Dienste ihm Monteros Ein-Mann-Luftschutzbunker eines Tages leisten würde. In der vergangenen Nacht hatte er den Weg zur Tür von dichten Ranken und Zweigen befreit. Jetzt sperrte er sie mit dem Schlüssel auf, den er unbemerkt von Monteros Schlüsselbund genommen hatte.
Knarrend schwang die kugelsichere Titan Tür auf. Zwei Dutzend steile Zementstufen führten zu einem dunklen kleinen Raum hinab. Nachdem Kyle die Tür hinter sich geschlossen hatte, knipste er eine winzige Taschenlampe an.
Trotz der abgestandenen Luft war es erstaunlich Kühl in der Hütte. Und sauber. An einer Wand stand ein schmales Bett mit einer roten Satindecke, gegenüber ein kleiner Propangasofen auf einem antiken Tisch von museumsreifer Qualität. Kyle legte Delanie auf die Decke, schob ein rotes Satinkissen unter ihren Kopf und setzte sich zu ihr.
»He, Schätzchen …« Sein Daumen strich über ihre weichen, blutleeren Lippen. Aber sie rührte sich nicht. Beunruhigt schaute er auf seine Uhn Seit er das Haus verlassen hatte, war fast eine halbe Stunde vergangen. Genug Zeit, um eine Leiche zu entsorgen.
Sein Blick glitt über Delanies Gesicht. In ihrer Ohnmacht sah sie wie ein Kind aus. Und viel zu verletzlich. Seine Fingerspitzen berührten ihre Wange, und er spürte die unnatürliche Kälte ihrer Haut. Gequält schloss er die Augen. Als sie über den Stuhl gestolpert war, die Augen von gespielter Verblüffung und Entsetzen weit aufgerissen, hatte es etwas zu realistisch gewirkt. Nach ein paar Sekunden hob Delanie ihre Lider und starrte ihn glasig an.
»Bin ich tot? «, wisperte sie.
»Du lebst und bist in Sicherheit«, erwiderte er und umfasste scheinbar gleichmütig ihr Handgelenk. »Wie fühlst du dich? « Ihr Puls pochte schwach und unregelmäßig.
»Als wäre ich erschossen worden …« Der Klang ihrer Stimme erweckte den Eindruck, sie hätte eine viertägige Sauftour hinter sich.
Vorsichtig zog er ihr das T-Shirt und die kugelsichere Weste aus, an der die Glassinbeutel mit dem Eberblut hingen. »O Gott …« Delanie schaute auf ihre Brust hinab. Dann sank ihr Kopf ins Kissen zurück. Offenbar war sie immer noch halb benommen. »Nur blaue Flecken.« Sie leckte über ihre trockenen Lippen. »Tut nicht besonders weh …«
Klar, sie war okay.
Kyle ergriff eine Wasserflasche, füllte einen Becher und hob Delanies Kopf, damit sie trinken konnte. Von ihren gefühllosen Lippen rannen Tropfen übers Kinn. »Du hast gesagt, es wäre wie ein Kater«, würgte sie mühsam hervor. »Den hatte ich noch nie. Das gefällt mir nicht …«
»Ist’s so schlimm? « Belustigt überlegte er, dass sie vermutlich noch nie einen über den Durst getrunken hatte. Schade. Eine beschwipste Delanie wäre sicher zauberhaft. Ohne die üblichen Verteidigungsbastionen wirkte sie sanfter, nicht mehr so selbstbewusst. Kein Wunder, dass ihr das missfiel.
Vor einiger Zeit hatte er das Zeug selber schlucken müssen und sich wie nach einer dreiwöchigen Kneipentour gefühlt, nachdem er zu sich gekommen war. Mit einer Fingerspitze strich er über ihre Brüste, die gerötete Haut, die der raue Teppich ein bisschen aufgeschürft hatte. »Stell dir vor, es wäre eine Narkose gewesen. In die hat man dich sicher schon mal versetzt, nicht wahr? Keine Bange, bald wird die Wirkung nachlassen. «
Plötzlich verschleierten Tränen ihre Augen, und er las abgrundtiefen Kummer in ihrem Blick, bevor sie die Lider senkte und den Kopf zur Wand drehte.
»Verdammt«, flüsterte er und nahm sie behutsam in die Arme. »Weine nicht, Schätzchen,
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