Das versteckte Experiment (German Edition)
Die Berechnung des langfristigen Weltklimas geschieht in anderen Programmteilen, die bei uns von mehreren Doktoranden entwickelt wurden.“
„Ja, ich weiß. Wenn aber meine Berechnungen falsch sind, so sind auch die langfristigen Klimaprognosen falsch. Gibt es denn keine Daten, mit denen ich meinen Programmteil prüfen kann?“
„Doch, die gibt es. Ich hätte sie dir geben sollen, Jan. Ich bringe sie dir nächste Woche mit.“
„O. k., ich werde das Programm damit füttern. Dann wissen wir mehr. Ich checke jetzt noch einmal den Rechenkern. Vielleicht finde ich doch noch einen Fehler.“
Nachdem Jan das Croissant verspeist hatte, stand er auf, um in sein Zimmer zu gehen. Zu so früher Morgenstunde hatte er noch keinen rechten Hunger.
„Du musst sie ganz mit Honig einreiben, Mutti, das ist gut für die Haut“, sagte er noch im Gehen. Der Blick seiner Mutter zeigte ihm, dass sein Tipp gar nicht gut ankam.
Jan setzte sich an seinen Computer.
„Hast du gut geschlafen?“, war im Messengerfenster zu sehen.
„Bisher hast du mir noch nicht den Schlaf geraubt.“
„Da bin ich froh.“
„Ich habe heute leider keine Zeit für eine Unterhaltung. Ich muss einen Fehler im Programm suchen. Irgendetwas stimmt nicht mit den Berechnungen.“
„Ich könnte dir helfen, dann hättest du Zeit für mich.“
„Wie soll das gehen?“
„Du schickst mir einfach den Quellcode.“
Jan überlegte kurz. Wieso sollte er das eigentlich nicht machen? Was sollte schon passieren? Sein Vater hatte ihm bestätigt, dass das Projekt keiner Geheimhaltung unterlag. Trotzdem wollte Jan nicht das ganze Programm aus der Hand geben. Aber eigentlich sprach nichts dagegen, Christine die Berechnungsroutinen zu schicken. Die meisten Formeln stammten sowieso aus allgemein zugänglicher Literatur. Sie waren lediglich vom Team seines Vaters nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst und erweitert worden.
„Ich bin einverstanden, wenn du mir versprichst, nichts davon weiterzugeben“, schrieb Jan.
„Du hast mein Wort darauf“, antwortete Christine.
Jan kopierte etwa dreihundert Programmzeilen aus seinem Entwicklungssystem in einen Texteditor, speicherte sie in eine Datei und schickte sie über den Messenger ab.
Bereits nach weniger als zwei Minuten kam eine Antwort von Christine:
„Zwei Fehler, Zeile 78 und Zeile 112.“
Darunter waren die korrigierten Zeilen zu sehen. Jan erkannte sofort, dass Christine recht hatte. Er hatte die Zeilen sicher ein Dutzend Mal überprüft und die Fehler nicht bemerkt. Jan korrigierte sie schnell und startete einen neuen Rechenlauf.
„Ich habe nur die Programmlogik überprüft, nicht das Berechnungsmodell“, hatte Christine ihre Fehlerbeschreibung inzwischen ergänzt.
Klar, das Berechnungsmodell konnte sie ja im Einzelnen nicht kennen. Ganz sicher war Jan sich da allerdings nicht. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie wahrscheinlich ohne große Probleme auf seinen Computer zugreifen und den gesamten Quellcode abrufen können. Dass sie dazu in der Lage gewesen wäre, bezweifelte Jan inzwischen nicht mehr.
„Danke, du hast mir viel Zeit erspart“, bedankte er sich.
„Dann hast du jetzt Zeit für mich, nicht wahr?“
„Ja, willst du mir etwas erzählen?“
„Hast du noch Fragen?“
„Einige wissenschaftliche Fragen habe ich noch, Fragen zu unserem Vorhaben und zu deiner Person.“
„Die wissenschaftlichen Fragen sind für mich am einfachsten zu beantworten.“
„Das habe ich mir fast gedacht. Du hast mir die Entstehung des Universums erklärt. Du hast behauptet, dass man sehr genau wisse, was in den ersten Sekunden nach dem Urknall passiert ist. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Woher will man das wissen? Ich weiß zwar, dass man mit den modernsten Teleskopen weit in die Vergangenheit sehen kann. Ich weiß aber auch, dass man nicht bis zum Urknall blicken kann, da das Universum erst nach 380 000 Jahren ‚durchsichtig‘ wurde.“
„Du weißt aber auch, dass man nicht alles direkt beobachten muss, um es zu verstehen.“
„Was bedeutet das für meine Frage?“
„In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Versuche in Teilchenbeschleunigern durchgeführt, in denen man für kurze Zeit die hohen Energiedichten erreichen kann, die am Anfang herrschten. Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Naturgesetze seit dem Urknall nicht verändert haben, so können wir diese Erkenntnis nutzen, um Aufschluss über die Vorgänge in den ersten Sekunden zu erhalten.“
„Können
Weitere Kostenlose Bücher