Das versteckte Experiment (German Edition)
Schreibtisch ausgebreitet hatte, öffnete kurz die Augen, schloss sie wieder und fing an zu schnurren.
„Ist doch nicht dein Ernst, oder?“
„Ich weiß, es ist nicht sehr einfallsreich, lässt sich aber gut merken.“
„Du hättest genauso gut dein Geburtsdatum nehmen können.“
„Mach weiter“, sagte der Vater lachend.
Es nahm fast eine Viertelstunde in Anspruch, um die Daten vollständig aufzubereiten. Die Berechnungen waren jedoch nach wenigen Sekunden abgeschlossen. Jan ließ sich die Ergebnisse im Debugger anzeigen und las sie laut vor.
„Mist!“ rief der Vater aus. Er hielt einen Ausdruck der gemessenen Ergebnisse in der Hand und schielte über seinen Brillenrand auf den Monitor. „Eine Abweichung von ein paar Prozent könnte ich ja verstehen, aber wir haben hier eine wesentlich höhere Differenz! Die Funktionen werden rekursiv aufgerufen und der Fehler summiert sich dadurch stetig auf. Du musst dich bei der Dateneingabe vertan haben.“
„Das können wir leicht checken.“
Jan ließ sich alle Eingabedaten anzeigen. Nach mehrmaliger Überprüfung waren sich die beiden sicher: Es gab keinen Eingabefehler und auch die eingelesenen Daten waren korrekt.
„Daraus schließen wir?“, fragte Jan.
„Das Programm liefert die richtigen Ergebnisse für die Erderwärmung in der Vergangenheit, obgleich ein wesentlicher Teil des Programms falsch rechnet. Das ist absurd.“
„Das Programm rechnet nicht falsch“, entgegnete Jan trotzig, „euer Modell ist falsch.“
„Wenn das Modell falsch wäre, wären auch die Endergebnisse falsch! Außerdem ist es tausendmal überprüft worden.“
„Kalibriert auf die Temperaturdaten der Vergangenheit?“
„Hm, ja!“
Die beiden sahen sich an und machten beide den Eindruck, als wenn es ihnen dämmerte.
„Wenn aber …?“ Der Vater beendete den Satz nicht.
„… sich zwei Fehler im Modell aufheben“, beendete Jan den angefangenen Satz.
„Wenn die Kühlwirkung der Aerosole unterschätzt und der Treibhauseffekt durch den Kohlendioxid überschätzt wird, so könnten zwar die Ergebnisse zu den gemessenen Daten passen, das Modell wäre jedoch trotzdem unzuverlässig und die Prognosen für die Zukunft könnten ziemlich danebenliegen.“
„Was würde das bedeuten?“
„Durch Umweltschutzmaßnahmen werden die anthropogenen, also durch den Menschen verursachten Aerosole reduziert. Zukünftig wird somit deren kühlende Wirkung vermindert werden. Das ist bekannt. Wenn nun aber dieser Effekt durch unsere Modelle auch noch unterschätzt wurde, so müssten wir uns auf eine noch dramatischere Klimaerwärmung einstellen.“
„Wissenschaftler der ganzen Welt haben sich so wie du mit der Modellierung des Klimas beschäftigt, nicht wahr? Und jeder baut auf den Forschungsergebnissen des anderen auf. Was ist, wenn sich ein Wissenschaftler geirrt hat?“
„Die Ergebnisse, Messungen und Berechnungsmethoden der Forschungen werden publiziert und müssen nachvollziehbar sein. Das heißt natürlich nicht, dass auch immer eine Überprüfung stattfindet. Forschungen sind teuer und Forschungsgelder knapp.“
„Was ist, wenn Ergebnisse gefälscht, Forscher manipuliert wurden?“
„Quatsch!“, widersprach der Vater mit einer abwehrenden Handbewegung.
„Denk an die Sache in Neuseeland oder gar an die E-Mails der britischen Climate Unit Research, die nur durch Hacker an die Öffentlichkeit gekommen sind!“
„Ja, ich weiß“, kam die Antwort etwas unmutig.
„Aber nehmen wir an, es ist tatsächlich so, wie wir vermuten, dass die Wirkung der Aerosole auf das Weltklima durch das Modell fehlerhaft abgebildet wird. Dann hätten doch auch andere vor uns diesen Effekt feststellen müssen, oder?“ fragte Jan.
„Ich denke, es ist vor uns niemand auf die abwegige Idee gekommen, die Absorptions- und Reflexionseigenschaften der Aerosole separat anhand von Labordaten zu überprüfen. Die Differenzialgleichungen, die du verwendet hast, sind seit Längerem etabliert und wurden bisher nie infrage gestellt.“
„Lässt sich feststellen, wer sie aufgestellt hat?“
„Das dürfte kein Problem sein. In jeder Veröffentlichung sind die Quellen angegeben. Worauf willst du hinaus?“
„Ach, war nur so eine Überlegung“, wich Jan aus.
„Jedenfalls haben wir jetzt ein Problem.“
„Wir?“
„Die Menschheit und ich. Ich, weil ich maßgeblich am Klimamodell beteiligt war, und die Menschheit, weil die Klimaerwärmung durch den Aerosoleffekt offenbar maskiert war und ohne
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