Das versteckte Experiment (German Edition)
merkwürdige Verschwörungstheorien gefunden. Weiterhin habe man auf dem Computer des Andrew S. zahlreiche E-Mails entdeckt, die er mit einem gewissen Ragnarök ausgetauscht habe. Es bestehe der Verdacht, dass dieser Andrew S. beeinflusst oder selber ein Verbrechen geplant habe. Den ermittelnden Behörden sei es aber bisher nicht gelungen, die Person oder dessen Internetanschluss zu identifizieren.“
„Hältst du es für einen Zufall, dass der Wissenschaftler auf diese Weise ums Leben gekommen ist?“
„Ich denke, es war kein Zufall.“
„Das Programm schreckt auch vor einem Mord nicht zurück?“
„Ganz sicher nicht. Es kennt keine Moral. Es folgt nur seinem vorgegebenen Ziel.“
„Aber es konnte nicht planen, dass ein Irrer neben Davis wohnen sollte.“
„Nein, es hat sicher aus einer Vielzahl von Möglichkeiten ausgewählt, Davis zu töten. Hätte es eine andere Methode gewählt, so würdest du vielleicht ebenfalls fragen, wieso die Gegebenheiten so passend sein konnten. Nach meinen Recherchen hat der Wissenschaftler übrigens vorher in einem anderen Stadtteil gewohnt. Ihm wurde die Wohnung gekündigt, weil er mehrere Monate die Miete nicht bezahlt hatte. Ich habe seine Kontobewegungen überprüft. Danach wurde die Miete auf ein falsches Konto überwiesen.“
„Lass mich mal konstruieren: Der Virus sucht eine Möglichkeit, Davis zu beseitigen. Ein Irrer soll ihn töten. Das würde keine tief greifenden Untersuchungen nach den genauen Hintergründen und Motiven auslösen. Durch die Auswertung der Krankengeschichten aller in der Stadt lebenden Patienten stößt der Supervirus auf Andrew S. Der ist psychisch krank und wohnt neben einer leer stehenden Wohnung. Seine Zwangsvorstellungen lassen sich leicht mit einigen geschickten E-Mails verstärken und in eine bestimmte Richtung lenken. Jetzt muss nur noch dafür gesorgt werden, dass Davis neben dem geistig verwirrten Mann einzieht. Der Virus manipuliert die Mietüberweisungen des Wissenschaftlers, was zur Kündigung der Wohnung führt. Durch eine Anzeige in der Tageszeitung oder durch Einflussnahme auf einen Immobilienmakler wird er auf die frei stehende Wohnung aufmerksam gemacht.“
„So, oder so ähnlich könnte es geschehen sein.“
„Hat der Supervirus gehandelt, weil es bemerkt hat, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind? Das würde bedeuten, dass auch wir in Gefahr sind!“, schrieb Jan.
„Nein, der Mord geschah bereits, bevor wir miteinander Kontakt aufgenommen haben. Aber wir müssen sehr vorsichtig sein. Du solltest niemals unverschlüsselte Nachrichten versenden und unbedingt das Verschlüsselungsprogramm verwenden, das ich dir gegeben habe. Dann kann nichts schiefgehen.“
Vielleicht wollte Christine Jan mit diesen Worten beruhigen. Es war ihr jedoch keineswegs gelungen. Jan kam die Warnung von Waldmann in den Sinn. Überblickte er vielleicht wirklich nicht, auf was er sich eingelassen hatte? Wenn der Supervirus erfuhr, dass Jan versuchte, seinen Plan zu vereiteln, so wäre er sicher auch in der Lage, einen Verrückten auf ihn zu hetzen, vielleicht eine Bahn entgleisen zu lassen, mit der er reiste, oder ihn mit dem Träger eines tödlichen Virus in Kontakt zu bringen. Er könnte Jan an den Ort eines Terroranschlags locken oder sogar einen Anschlag auslösen. Jan fielen immer mehr Möglichkeiten ein, wie der Supervirus ihn beseitigen konnte. Er konnte es nicht leugnen: Er hatte Angst. War die Angst groß genug, um die Zusammenarbeit mit Christine aufzukündigen oder sich vielleicht dem BND anzuvertrauen? Letzteres schloss er gänzlich aus. Das Vertrauen, das sie in ihn gesetzt hatte, würde er niemals missbrauchen. Außerdem würde er sich gerade dadurch in Gefahr bringen. Der Supervirus konnte wegen Christines Verschlüsselungsmethode wahrscheinlich nicht erkennen, was Jan und Christine beabsichtigten. Er wusste wahrscheinlich nicht einmal von ihrer Existenz. Sobald jedoch der BND irgendeine Kenntnis von den Vorgängen erlangte, hätte der Virus über die nur unzulänglich verschlüsselte Kommunikation der Nachrichtendienste davon erfahren können. Schließlich war dieses auch Christine gelungen.
„Du hast Angst, nicht wahr?“
„Versuchst du wieder meine Gefühle zu erraten?“
„Nein, aber die lange Pause …“
„O. k., ich habe ein bisschen Angst. Aber ich bleibe dabei!“ schrieb Jan entschlossen. „Ich muss jetzt ein wenig nachdenken, über dich, die Entstehung der Welt, die Bedrohung der Menschheit und andere
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