Das versteckte Experiment (German Edition)
gewesen. Er hatte sie deshalb auf seinem Schreibtisch zu einem hohen Turm aufgebaut. Jan griff in das Bücherbord und nahm ein Buch heraus, das er vor etlichen Jahren einmal gelesen hatte: „Die Zeitmaschine“ von H. G. Wells.
Das war es doch. Sie würden eine Zeitmaschine bauen. Jan musste lachen. Natürlich war das keine ernsthafte Idee. Jan hatte gute Laune.
„Ich will doch mal sehen, was Christine dazu sagt. Sie versteht doch auch Spaß und hat auf alles eine Antwort“, murmelte Jan vor sich hin.
Es dauerte nicht lange, bis Jan den Messenger gestartet hatte. Wie immer war Christine anwesend.
„Hi, Christine“, schrieb er.
„Hi, Jan, alles klar?“
„Alles klar, ich hoffe, ich gehe dir nicht auf den Wecker?“
„Auf den Wecker, was meinst du damit?“
„Kennst du den Ausdruck nicht?“
„Ich kenne den Ausdruck, verstehe aber nicht, was du gerade damit meinst.“
„Ich hoffe, dass ich dir nicht auf die Nerven gehe.“
„Aha! Du gehst mir niemals auf den Wecker.“
„Sag einfach Bescheid, wenn ich es doch einmal geschafft habe.“
„Das werde ich tun. Es wird dir aber nicht gelingen.“
„Ich habe eine Idee, mit der wir bei ‚Jugend forscht‘ teilnehmen können.“
„Das ist interessant, willst du sie mir erzählen?“
„Wir könnten eine Zeitmaschine bauen.“
„Eine Maschine, mit der man in die Vergangenheit und in die Zukunft reisen kann?“
„Ja, ist doch eine gute Idee, oder? Wir könnten die Eloi und die Morlocken besuchen.“
„Das wird nicht ganz einfach werden.“
Jan wusste noch nicht genau, ob Christine gemerkt hatte, dass er sie ein bisschen auf den Arm nehmen wollte.
„Mit deiner Hilfe dürfte das doch kein großes Problem sein“, schrieb er.
„Um in die Vergangenheit zu gelangen, müsstest du mit Überlichtgeschwindigkeit reisen. Wenn dir das gelänge, hättest du schon das wesentliche Problem gelöst.“
An ihrer Antwort erkannte Jan, dass Christine sehr wohl gemerkt hatte, dass er sich einen Scherz mit ihr erlaubte.
„Du hast mir aber erzählt, dass keine Materie und keine Information mit Geschwindigkeiten über der Lichtgeschwindigkeit transportiert werden können. Wenn du das zurücknimmst, komme ich einen Schritt weiter.“
„Tut mir leid, daraus wird nichts. Ich würde damit alle Vorstellungen von der Kausalität durcheinanderbringen. Ereignisse würden plötzlich vor deren Ursache stattfinden. Wenn du eine Taste auf der Tastatur drückst, so erscheint der gewünschte Buchstabe anschließend auf dem Bildschirm. Was würdest du sagen, wenn der Buchstabe erschiene, bevor du die Taste drückst?“
„Das wäre schon etwas ungewöhnlich. Du willst mir also nicht helfen?“
„Na ja, ich will dich nicht so ganz alleine mit deiner Erfindung lassen. Immerhin kannst du erreichen, dass die Zeit stehen bleibt. Wenn du dich auf den Ereignishorizont s eines Schwarzen Lochs zubewegst, wird deine Uhr für einen außenstehenden Beobachter immer langsamer gehen, bis sie schließlich ganz stehen bleibt.“
„Das bringt mir aber nicht viel und es ist ziemlich ungemütlich dort, nicht wahr?“
„Das stimmt, kleine Nachteile musst du bei deinem Vorhaben aber schon in Kauf nehmen. Wie verabredet, erzähle ich dir bei Gelegenheit gerne mehr über Schwarze Löcher. Für dein Vorhaben solltest du lieber einen anderen Weg gehen. Im subatomaren Bereich, also z. B. bei Vorgängen mit Elektronen, Protonen und kleinsten Teilchen, sieht es schon etwas günstiger aus. Tatsächlich sind die Vorgänge dort so verrückt, dass auch die Kausalität, so wie wir sie erwarten, verletzt wird. Es gibt sogar das Phänomen, dass ein Ereignis eine Wirkung erzeugt, die gleichzeitig an einem weit entfernten Ort auftritt. Einstein hat das einmal die ‚spukhafte Fernwirkung‘ genannt. Du wirst mit diesen Vorgängen zwar auch keine Zeitmaschine bauen können, aber ich verspreche dir, dass du die Welt mit ganz anderen Augen sehen wirst, wenn du dich damit beschäftigt hast. Wenn du mal viel Zeit hast, kann ich dir einiges darüber erzählen.“
„Gerne, du machst mich neugierig“, schrieb Jan.
Das Gespräch mit Christine gefiel ihm heute irgendwie besonders gut. Vielleicht lag es an seiner guten Laune oder daran, dass er mit Christine auch einmal weniger ernsthaft sprechen konnte. Die Spontaneität, mit der Christine auf seine Äußerungen und Fragen einging, überraschte Jan immer wieder. Auch mit seiner Zeitmaschine hatte er sie nicht aufs Glatteis führen können. Nur mit
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