Das versteckte Experiment (German Edition)
die Zunahme der Entropie (wie man das Maß der Unordnung in der Physik nennt) ganz normal sei. Leider war sein Vater mit den Naturwissenschaften bestens vertraut. „Das gilt nur für abgeschlossene Systeme“, hatte er darauf erwidert.
Also Aufräumen war jetzt angesagt. Vermutlich würde Mausi keine große Hilfe bei diesem Vorhaben sein. In der Tat verließ sie bei den ersten Anzeichen von Unruhe das Zimmer und setzte sich voller Erwartung vor den Futternapf in der Küche, offenbar in der Hoffnung, dass die Mutter nicht mitbekommen hatte, dass Jan ihr schon zu fressen gegeben hatte.
Zeiterleben
6. Relativität und Zeit
Gegen Abend war Jan fertig, fix und fertig, oder „fertig mit Jack und Büx“, wie man in Norddeutschland sagt. Das Zimmer war vollständig aufgeräumt. Jan warf sich erschöpft auf die Couch. Jetzt, da die ganze Arbeit erledigt war, steckte Mausi den Kopf durch den Türspalt. Sie blieb zunächst in der Tür stehen, kam dann langsam ins Zimmer und beschnupperte verschiedene Möbelstücke und Gegenstände, die nicht an ihrem gewohnten Ort standen, als wären sie neu und unbekannt. Sie schlich vorsichtig durch das Zimmer, den Schwanz angespannt emporgestreckt. Schließlich ging sie wieder zur Tür. Nur die Schwanzspitze konnte Jan jetzt noch sehen, die im Türspalt hoch- und runtertanzte, ein sicheres Zeichen dafür, dass die Katze nachdachte, was wohl passiert war, ob sie wieder umkehren oder doch den ungemütlich gewordenen Ort besser verlassen sollte. Sie entschied sich für das Letztere. Die Schwanzspitze, und damit das ganze Tier, bewegte sich in Richtung Wohnzimmer. Auch dort gab es schließlich einige gemütliche Orte, auf den Sofakissen, auf dem Bücherbord zwischen den CD-Ständern oder unter der Yuccapalme im großen Blumentopf, jedoch nur, wenn diese nicht gerade frisch gegossen worden war.
„Jan, was macht das Ausbreitungspro...“ Jans Vater war eingetreten. Er brach mitten im Satz ab und sah sich demonstrativ mit übertriebenem Erstaunen um. „Was ist denn hier passiert?“ frotzelte er jetzt.
„Was meinst du?“, fragte Jan, obwohl er natürlich wusste, worauf sein Vater anspielte.
„Die Entropie!“, erwiderte dieser.
„Bitte?“
„Na, die Entropie in deinem Zimmer hat extrem abgenommen!“
„Tatsächlich?“, entgegnete Jan möglichst gelassen.
„Da muss doch eine äußere Ursache vorgelegen haben.“
„Ich habe etwas aufgeräumt, nur so, ist doch recht so, oder?“
„Nur so?“
„Nur so!“
„Hörst du jetzt auch meine Musik?“ fragte der Vater nach einer kurzen Pause. Er hatte die CD von Wolf Maahn gesehen, die auf dem aufgeräumten Schreibtisch sofort ins Auge fiel.
„Du kannst auch mal meine Platten ausleihen“, antwortete Jan ausweichend.
„Sind wohl nicht so ganz mein Fall“, erwiderte sein Vater und nahm die CD vom Schreibtisch.
„Kannst du sie mir noch einen Tag überlassen?“
„Oh, ja, klar!“, entgegnete der Vater und legte die CD zurück. „Was ich fragen wollte, wie weit bist du mit dem Programm?“
„Ich bin heute leider nicht viel weitergekommen. Da sind noch einige Fehler zu beheben. Am Wochenende werde ich wohl fertig werden.“
Jans Vater wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch noch einmal um. „Alles o. k., Jan?“
„Alles bestens!“
Jan dachte an den kommenden Abend. Er hatte fast ein wenig Angst vor der Begegnung mit Sintja. Kam sie tatsächlich nur wegen „Jugend forscht“? Die Vermutungen, die Christine geäußert hatte, gefielen Jan wesentlich besser. Auf jeden Fall musste sich Jan ein bisschen auf Sintjas Besuch vorbereiten. Sehr intensiv hatte er sich noch nicht mit der Auswahl eines geeigneten Forschungsthemas beschäftigt. Jan stellte zunächst einmal alle Vorschläge seiner Partner zusammen und notierte einige Anmerkungen zur Realisierbarkeit und zu seinem derzeitigen Kenntnisstand. Die nächsten zwei Stunden beschäftigte er sich mit der Recherche zu den Themen im Internet und legte alle interessanten Adressen im Favoritenverzeichnis ab.
Keines der bisher vorgeschlagenen Themen schien ihm der absolute Hit zu sein. Jans Blick fiel auf sein kleines Bücherbord, das kaum mehr als 50 Bücher fassen mochte. Neben Computerliteratur und einigen Lexika befanden sich auch einige Jugendbücher darunter. Die wissenschaftlichen Bücher, die er nach Christines Empfehlungen zum größten Teil aus der Universitätsbibliothek ausgeliehen hatte, waren auch mit bestem Willen nicht mehr darin zu verstauen
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