Das versteckte Experiment (German Edition)
Jahre 2060 Bundeskanzler geworden. Stattdessen würde jemand Bundeskanzler werden, der Europa in einen Weltkrieg stürzte.
Jan nahm sich fest vor, Mausi heute sicherheitshalber eine besonders große Portion von ihrem Lieblingsfutter zu geben.
In seinem Bücherbord flackerte die LED-Lampe auf. Jan hatte sie direkt an die Klingelleitung angeschlossen. So konnte er auch bei lauter Musik erkennen, wenn jemand draußen auf den Klingelknopf drückte. Jan sprang auf, ging zur Haustür und öffnete sie. Vor ihm stand Sintja mit der Katze auf dem Arm. Sintja war so schön wie in seiner Erinnerung. Die Katze hatte offenbar direkt Freundschaft mit ihr geschlossen.
„Ist das deine Katze?“
„Ja, magst du Katzen?“
„Sehr! Deine ist besonders süß, wie heißt sie?“
„Mausi!“
„Dürfen wir reinkommen, Jan?“
„Ja, Entschuldigung!“ Er hatte Sintja unhöflich lange draußen stehen lassen. Es schien, als ob sein Gehirn schon wieder etwas verrückt spielte. Hoffentlich würde das nicht so bleiben.
Sintja trat ein und setzte die Katze auf dem Boden ab. Mausi schlug direkt den Weg in Richtung Küche ein. Die Laute, die sie während des Weges zum Futternapf abgab, konnte Jan auch ohne genaue Kenntnis der Katzensprache interpretieren.
„Mausi muss unbedingt etwas zu fressen bekommen“, meinte Jan, „sonst könnte ein Unglück passieren.“
Sintja verstand natürlich nicht, was Jans Worte bedeuten sollten, sagte aber nichts. Die Katze schnurrte, während sie fraß, was sie nur tat, wenn es ihr besonders gut schmeckte.
Jan führte Sintja in sein Zimmer. Sintja ließ ihre Blicke schweifen. „Schön hast du es hier.“
„Setz dich! Magst du einen Schluck Rotwein?“
Sintja setzte sich auf die Couch. Jan nahm neben ihr Platz.
„Gerne, warum gibt es ein Unglück, wenn deine Katze nichts zu fressen bekommt?“ fragte Sintja jetzt.
„Weil dann ein Weltkrieg ausbricht.“
„Klingt logisch“, lachte Sintja.
„Im Ernst, ich habe es mir genau überlegt.“ Jan erzählte Sintja seinen Gedankengang. Sie hörte interessiert zu. Nachdem Jan seine Argumentationskette beendet hatte, meinte sie:
„Das ist ja noch einmal gut gegangen. Natürlich ist das eine wilde Konstruktion, die du da angestellt hast. Aber, wenn man das Prinzip auf die Vergangenheit anwendet, kann man tatsächlich sehen, dass kleinste Änderungen im Lebenslauf eines Menschen völlig andere Situationen in der Gegenwart hervorbringen. Ich weiß z. B., dass sich meine Eltern vor 21 Jahren in Lissabon kennenlernten. Mein Vater musste kurzfristig für einen Kollegen mit einem Vortrag an der dortigen Universität einspringen und meine Mutter hatte ihren Urlaub in Italien abgebrochen, weil dort Dauerregen herrschte. Sie war deshalb spontan mit ihrer Freundin nach Spanien und von dort aus nach Portugal gefahren. Hätte es in Italien nicht geregnet oder wäre der Kollege meines Vaters nicht krank geworden, hätten sie sich mit höchster Wahrscheinlichkeit nie kennengelernt. Ich wäre dann nie geboren worden und säße jetzt nicht hier neben dir.“
„Das wäre aber schade“, murmelte Jan.
Sintja lächelte ihn an. Jan nahm sein Glas und stieß mit ihr an.
„Wir sollten eine ‚Was-wäre-wenn-Maschine‘ konstruieren“, sagte er. „Das ganze bisherige Leben oder besser die ganze Menschheitsgeschichte müsste darin abgebildet sein. Man könnte dann irgendein vergangenes Ereignis verändern und sehen, wie die Gegenwart jetzt aussähe.“
„Was wäre z. B., wenn Adolf Hitler den Krieg gewonnen hätte?“
„Eine fürchterliche Vorstellung. Ganz sicher sähe die Welt dann extrem anders aus. Abgesehen davon, dass ich in der Welt nicht leben wollte, wären sich deine Eltern sicher nicht in Lissabon begegnet. Zwar hätte es vielleicht auch dann in Italien zur selben Zeit geregnet, aber dass deine Mutter in Italien hätte Urlaub machen können und dass dein Vater nach Lissabon gereist wäre, ist eher unwahrscheinlich. Auch du und ich wären dann nicht hier.“
„Ich wäre auch nicht hier, wenn es nicht am Dienstag ein sehr merkwürdiges Ereignis gegeben hätte.“
„Erzähl!“
„Ich erhielt eine SMS von meiner Freundin Anne. ‚Ich gehe ins Magellan‘, schrieb sie. Sie ist aber nicht gekommen. Ich habe sie am nächsten Tag angerufen. Sie behauptete, dass sie mir gar keine Nachricht geschickt hätte. Somit haben wir beide uns nur durch Zufall, durch einen Irrtum, kennengelernt.“
„Ich habe gelernt, dass manches, was einem als Zufall
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