Das versteckte Experiment (German Edition)

bräuchte, betrüge wieder acht Minuten (mit ihren langsameren Uhren gemessen).“
    „Das würde aber auch funktionieren, wenn nur eine der Größen, ‚Entfernung‘ oder ‚Zeit‘, angepasst würde.“
    „Stimmt. Tatsächlich kann man aber zeigen, dass sowohl die Entfernung schrumpft als auch die Zeit langsamer vorangeht. Die Physiker nennen das Längenkontraktion und Zeitdilatation.“
    „Also lebt jeder offenbar in seiner eigenen Zeit und für jeden, der sich relativ zu mir bewegt, läuft die Zeit langsamer ab und er altert damit langsamer als ich. Das alles folgt aus der Tatsache, dass die Lichtgeschwindigkeit immer konstant ist und eine gleichförmige Bewegung nicht als Bewegung festzustellen ist.“
    „Das haben unsere Gedankenexperimente gezeigt. Die Relativitätstheorie zeigt anhand ähnlicher Überlegungen außerdem noch, dass mit der Geschwindigkeit auch die Masse zunimmt. Das ist auch der Grund dafür, dass sich keine Körper mit Lichtgeschwindigkeit oder gar mit Überlichtgeschwindigkeit fortbewegen können. Die Masse wird bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit extrem groß und die Energiezufuhr für eine weitere Beschleunigung ebenfalls. Bei Erreichen der Lichtgeschwindigkeit wäre die Masse unendlich groß. Selbst so kleine Teilchen wie Elektronen, die man in Teilchenbeschleunigern auf hohe Geschwindigkeiten bringen kann, erreichen nie die Lichtgeschwindigkeit.
    Auch das ist interessant: In der Erdatmosphäre werden durch das Auftreffen kosmischer Strahlung auf Atome in etwa zehn km Höhe Teilchen erzeugt, die man Myonen nennt. Sie bewegen sich fast mit Lichtgeschwindigkeit. Sie haben nur eine Lebensdauer von 2,2 Mikrosekunden, bevor sie zerstrahlen. Ohne die Zeitdilatation würden sie durchschnittlich lediglich einen Weg von 660 m zurücklegen und könnten die Erde nicht erreichen. Dass sie trotzdem in großer Anzahl auf der Erde gemessen werden können, liegt an der relativistischen Zeitdehnung. Die schnell bewegten Myonen zerfallen somit entsprechend langsamer als unbewegte. Für die Teilchenphysiker gehört die Relativitätstheorie heute zum täglichen Handwerkszeug.“
    „Und wie lang ist die Lebensdauer eines Photons?“
    „Photonen bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit. Im Bezugssystem des Photons gibt es überhaupt keine Zeit, keine Zukunft, keine Vergangenheit. Erst wenn das Photon auf ein Hindernis, z. B. dein Auge, fällt, wird es vernichtet. Seine Energie gibt es an das Hindernis ab. Es hat keine Ruhemasse. Ansonsten könnte es sich auch nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Das Licht eines Sterns kann Milliarden Jahre ungehindert durch das Weltall fliegen, bis es zur Erde und in dein Auge gelangt. Aber wir sollten in diesem Zusammenhang besser von einer Welle sprechen, solange das Licht unterwegs ist. In dem Moment, wo es das Auge erreicht, kollabiert die Wellenfunktion und es entsteht ein Photon, das mit der Iris wechselwirkt. Und nun wird es spannend. Da für die Welle keine Zeit existiert, befindet sie sich auf dem ganzen Ausbreitungsweg gleichzeitig! Weiterhin existiert für die Welle keine Entfernung. Sie ist im ganzen Universum gleichzeitig vorhanden. Aus der Perspektive des Photons gibt es keine Zeit und keinen Raum, es erreicht die Erde, ohne nur eine Sekunde ‚gealtert‘ zu sein. Letztendlich ist das gesamte Universum auf diese Art zeit- und raumlos miteinander verbunden.“
    „In einem Science-Fiction-Roman habe ich gelesen, dass ein Astronaut die Erde verlässt, sein Raumschiff auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und nach einiger Zeit zur Erde zurückkehrt. Für den Astronauten war dann viel weniger Zeit vergangen als für die anderen Erdbewohner.“
    „Dieses Phänomen, das genau aus unserem Gedankenexperiment folgt, ist als Zwillingsparadoxon bekannt geworden, weil man es besonders gut veranschaulichen kann, wenn man Zwillinge betrachtet. Nennen wird die Zwillinge Alf und Otto. Alf fliegt mit einem Raumschiff zu einem Planeten, der 20 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Sein Raumschiff fliegt mit 75 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Der Einfachheit halber vernachlässigen wir einmal die Zeit, die für den Beschleunigungsvorgang erforderlich ist. Nach einem Jahr Aufenthalt tritt er die Rückreise an. Natürlich hat Alf nach seiner Rückkehr seinem nun wesentlich älteren Bruder viel zu erzählen. Für Alf hat die Reise inklusive des Aufenthalts 36,3 Jahre gedauert. Für Otto sind dagegen 54,3 Jahre vergangen. Beide haben in ihrem eigenen