Das vertauschte Gesicht
eine halbe Million Einwohner, das waren nicht viel. Man sah Gesichter immer wieder, ein-, zwei-, dreimal.
Sie mussten sich nach den Festtagen mit ihm unterhalten. Das war eine Öffnung im Tunnel, vielleicht ein Licht.
Er beschloss, sich auf den ersten Gang zu konzentrieren. Die Fischbouillon war fertig und durchgeseiht, die hatte in der letzten Nacht vier Stunden geköchelt.
Er mischte das Dressing aus frischem Limettensaft, geriebenenem Meerrettich, Meersalz und ein wenig frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer an.
Dann verrührte er vorsichtig drei Eier mit einem Teelöffel frisch gestoßenem Rohzucker und einem halben Teelöffel Sesamöl, briet drei crepedünne Omeletten in ein wenig Rapsöl und schichtete sie übereinander. Als sie abgekühlt waren, rollte er jede Omelette auf, schnitt die Rollen in dünne Scheiben und stellte sie beiseite.
Vor einer Weile hatte er die Austern geöffnet, zwei und ein halbes Dutzend, er kontrollierte sie noch einmal und schnitt dann fünfundzwanzig Zuckererbsenschoten diagonal durch, blanchierte sie dreißig Sekunden in kochendem Wasser und kühlte sie unter kaltem Wasser ab. Die abgetropften Zuckererbsen mischte er in einer großen Schüssel mit fein geschnittenen roten Zwiebeln, ein wenig Kresse und einem Salat, der einen delikaten, feurigen Pfeffergeschmack hatte. Dann gab er die fein geschnittenen Omelettescheiben dazu.
In einer hohen Bratpfanne erwärmte er neues Öl und sautierte die Austern sehr schnell auf beiden Seiten bei großer Hitze, dann legte er sie eine nach der anderen in die Salatschüssel. Als er fertig war, träufelte er etwas Dressing darüber. Vorsichtig mischte er den Austernsalat und gab ihn auf drei Teller.
Er fand, der Salat passte zum Hauptgericht, das aus Kalbsrippchen mit Knoblauchkartoffelpüree und Pesto bestand. Das Fleisch im Backofen wurde langsam braun und begann zu duften.
Für Morelius war die Stadt wie ein Meer aus Feuer. Nein. Der Himmel war ein Meer von Feuer, in wechselnden roten Farben, niemals still. Das offizielle Feuerwerk war vom inoffiziellen abgelöst worden. Jeder wetteiferte mit jedem. Er hatte über Funk gehört, dass fünf oder sechs Personen Raketen in die Augen bekommen hatten, und dabei war es noch nicht mal zwölf. Manchmal ertönten die Sirenen von Krankenwagen, aber er hatte nicht gehört, dass jemand umgekommen war.
Die Hänge nach Skansen hinauf waren mit Menschen gefüllt, meist Jugendliche. Die Polizei war vor Ort. Sie trugen unterschiedliche Uniformen. Er sah ein Mädchen, das sich Ivarsson an den Hals warf und ihn küsste. Ivarsson ließ es geschehen und verbeugte sich zum Dank. Es war kurz nach elf , es war ruhig, keine Panik. Der Skanstorget unterhalb von ihm begann sich zu füllen, wie ein halb arktischer Times Square. Morelius war noch nie in New York gewesen, aber er hatte Bilder gesehen.
Er stand ein wenig abseits vom dicksten Gedränge, und sie tauchten aus der Masse auf. Die erkennen mich natürlich wieder, dachte er. Es ist eine kleine Stadt. Sie scheinen alles unter Kontrolle zu haben. Jetzt kommen sie her.
»Gutes neues Jahr«, sagte Maria.
Morelius nickte als Antwort.
»Ihr lasst es ruhig angehen, wie ich sehe«, sagte er.
»Straight edge«, sagte das Mädchen.
»Wie bitte?«
»Wir feiern nicht«, sagte sie. »Wir nehmen nichts, wir trinken nichts.«
»Das ist klug.«
»Dann erlebt man alles viel stärker«, sagte der Junge. »So ist es.«
»Haben Sie viel zu tun heute Abend?«, fragte sie. »Sind da viele... um die Sie sich kümmern müssen?«
»Noch ist es ziemlich ruhig.«
»Bald ist es so weit.«
»Ja.«
»Arbeiten Sie... die ganze Nacht?« »Bis morgen früh um vier.« »Im ganzen Stadtgebiet?«
»Im Zentrum. Aber es kann natürlich auch einen Einsatz irgendwo anders geben.«
»Das schmeckt wahnsinnig lecker«, sagte Winters Mutter.
»Es war gar nicht so leicht, gute Austern zu finden«, sagte Winter.
»Da hast du Glück gehabt«, sagte Angela.
»Tja...« Winter hob sein Glas mit Sancerre. »Dann zum Wohl.«
»Zum Wohl.« Angela und seine Mutter hoben ihre Gläser. Sie tranken und stellten die Gläser wieder ab.
»Ich glaube an ein helles und schönes Jahr«, sagte seine Mutter. Sie sah die beiden an. Winter war keine Veränderung oder Bewegung in ihrer Stimme aufgefallen. Sie hatte vorher zwei Gläser Champagner und Tanqueray und Tonic abgelehnt, was gut war, auch wegen der Geschmacksnerven. Wer vor einem guten Essen Schnaps trinken will, sollte ihn intravenös einnehmen.
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