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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Ende, und dann ist es zu spät, Erik. Du musst jetzt sagen, was du möchtest. Du musst Verantwortung übernehmen. Die Mutter kam in einem weißen Taxi auf den Strand gefahren, er hörte das Hupen schon, bevor sie ihn erreichte. Durchs Autofenster reichte sie ihm das Telefon, und es klingelte und klingelte. Die Mutter rüttelte ihn an der Schulter, Angela half ihr. Es klingelte, klingelte.
    »Erik!«
    Er murmelte eine Antwort im Traum und spürte den Druck gegen seine Schultern.
    »Erik, es ist für dich.« Angela schüttelte ihn wieder an der Schulter. Er richtete sich auf. Sie hielt ihm den Telefonhörer hin.
    Er fuhr nach Süden. Auf den Straßen waren Tausende von Menschen unterwegs, sie schwankten von Kneipe zu Kneipe, sangen im Chor. Heute Nacht habe ich etwas geträumt, was ich noch nie geträumt habe. Er bremste heftig, als eine Gruppe bei Rot über die Straße ging. Zeigten ihm den Stinkefinger. In diesem Augenblick waren sie unsterblich.
    Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte halb fünf, als er durch den Korsvägen fuhr. Liseberg erstrahlte wie in einer anderen Jahreszeit. Die ersten Busse hielten vor Menschentrauben, die endlich beschlossen hatten, nach Hause zu fahren.
    Als er in die Bifrostgatan abbog, schienen Tausende von Menschen vor dem hohen Haus zu warten. Das Blaulicht der Streifenwagen hatte das Feuerwerk abgelöst. Die Wirklichkeit war zurückgekehrt. Polizisten drängten die Masse zurück, sperrten Wege. Ein Krankenwagen fuhr mit einem Aufheulen davon.
    Er parkte nachlässig auf der Häradsgatan und ging wieder über den Patio und durch die Haustür. Erst kürzlich war er hier gewesen. Es war wie gestern, aber es war ein anderes Jahrtausend.
    Der Zeitungsbote stand vor der Tür mit einem Polizisten aus Mölndal.
    »Wie viele sind da drinnen?«, fragte Winter. »Nur die Gerichtsmedizinerin.«
    »Lassen Sie niemand anders rein. Wenn noch mehr von der Fahndung kommen, bitten Sie sie hier zu warten.«
    »In Ordnung.«
    »Behalten Sie den Jungen auch noch hier«, sagte Winter und nickte zu dem Zeitungsboten, der zitternd an der Wand lehnte, ein blasses Gesicht. Vielleicht sechzehn, siebzehn. Er könnte ein Cousin von Patrik sein, der gleiche magere Körper, der gleiche matte Blick.
    Drinnen war es still. Keine Metal-Musik, und Winter wusste nicht, ob er es erwartet hatte. Vielleicht war die Stille noch schlimmer.
    Im Flur brannte Licht. Die Wände waren Streifen, Striche, Klumpen und Punkte; ein Muster, das ihn an den Himmel in dieser Nacht erinnerte, als ob jemand versucht hätte, den letzten großen Himmel wiederherzustellen, bevor die Welt neu wurde.
    »Das ist Blut«, sagte Pia Erikson Fröberg, die in der Tür zu einem Zimmer am Ende des Flurs stand. Sie war eine Silhouette, genau wie der Polizist in der Wohnung in der Aschebergsgatan eine Silhouette gewesen war.
    »Ich hab den Krankenwagen gesehen.« »Sie lebte noch, als sie abfuhren.« »Du guter Gott.«
    »Ich gebe ihr eine kleine Chance«, sagte Pia Erikson Fröberg. »Eine sehr kleine.« Winter war näher gekommen. Die erfahrene Gerichtsmedizinerin sah entsetzt aus, ihr Gesicht war wie aus Marmor gemeißelt. Nicht entsetzt - angespannt, auf der Hut. Sie machte ein paar Schritte rückwärts, und Winter ging hinein.
    »Es ist dasselbe«, sagte sie. »Es muss derselbe Täter sein.«
    Bengt Martell saß auf dem Sofa. Seine Kleidung lag in einem Haufen vor ihm auf dem Fußboden.
    »Er hielt ihre Hand«, sagte die Ärztin. »Der Zeitungsjunge hatte ein Handy. Ich begreife nicht, wie er so geistesgegenwärtig sein konnte.« Sie machte eine Geste zum Flur. »Die Tür stand offen, als er kam.«
    »Hat sie was gesagt?«, fragte Winter. »Konnte sie etwas sagen?«
    Sie sah ihn an, als wüsste sie nicht, wie sie die Antwort formulieren sollte, schaute wieder zum Sofa. Dort hatte Winter gesessen. Neben ihm Bengt Martell und Siv Martell im Sessel gegenüber, der hier bei seinem Besuch gestanden hatte.
    »Sprechen wird schwer für sie«, sagte Pia Fröberg und sah Winter wieder an. »Ganz gleich, wie es ausgeht.«
    Er sah wieder zu dem Körper auf dem Sofa. Die gleiche Position, wie Christian Valker sie gehabt hatte.
    »Wo ist... wo ist... sein...« Winter brachte das Wort nicht heraus. »Vielleicht ist das ja gar nicht Martell, der dort sitzt. Vielleicht...?«
    »Ja«, sagte sie.
    »Aber wo zum Teufel ist er denn?«, sagte Winter mit immer lauterer Stimme.
    »Bei... ihr«, sagte die Ärztin. Winter sah, wie sich ihr bleiches Gesicht veränderte, es

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