Das vertauschte Gesicht
»Vorher?«
»Die Schrift haben wir raushalten können«, sagte Möllerström, der Registrator. »Die Musik übrigens auch. Ich hab's nirgends in den Zeitungen gelesen. Oder im Radio oder Fernsehen gehört. Eigentlich komisch.«
Winter dachte an die schwarz gekleideten Männer bei Desdemona. Sie wirkten nicht tratschsüchtig. Außerdem war es vielleicht nicht gerade schmeichelhaft für die Branche, wenn die Musikwahl des Täters publik wurde.
»Diesmal also keine Musik«, sagte Halders. »Oder wie man das nennen soll.« »Nein.«
»Keine Musik bei der Arbeit.« Aneta Djanali seufzte laut.
»Eins weiß ich«, fuhr Halders fort und machte eine Geste zu dem Foto in seiner Hand. »Die Reaktionen auf das hier.« Er sah sich um. »Wenn rauskommt, dass ein weiteres Paar hat dran glauben müssen, wenn man es so ausdrücken darf, dann werden sich viele Leute blitzartig scheiden lassen«, sagte Halders und sah sich wieder im Raum um. Es klang, als ob jemand kicherte. Aneta Djanali sah, wie Winter erstarrte. »Wer möchte schon ermordet werden, nur weil er... «
»Es reicht, Fredrik«, sagte Winter.
Aneta Djanali dachte an Winter, der mit seiner Freundin zusammengezogen war und bald Vater werden würde. Fredrik dagegen war zwar Vater, lebte aber allein. Wann hatte er seinen Sohn das letzte Mal getroffen? Heute Nacht hatte er versucht, darüber zu reden, aber es war ihm schwer gefallen, Worte zu finden.
»Sie haben also kein größeres Fest gefeiert«, stellte Sara Heiander fest.
»Sie waren zu dritt, scheint es.«
»Wie... das letzte Mal.«
»Ja.«
»Dann warten wir ab, was Siv Martell erzählen wird. Wahrscheinlich haben sie zusammen mit ihrem Mörder gegessen.«
Winter antwortete nicht.
»Wie geht es ihr im Augenblick?«, fragte Aneta Djanali.
»Immer noch bewusstlos«, sagte Ringmar. »Vielleicht haben sie sie auch in ein künstliches Koma versetzt.«
»Was ist genau mit ihr passiert?«, fragte Halders.
Winter berichtete. Mehrere atmeten heftig, es ging wie ein Zischen durch den Raum.
»Oh, zum Teufel«, sagte Halders. »Und sie könnte also eine Zeugenaussage machen?«
»Bis sie soweit ist, haben wir unsere Arbeit zu erledigen«, sagte Winter. »Wall Street«, sagte Halders. »Ja?«
»Vallgatan. Da ist doch der Musikladen? Den gibt's doch noch?«
»Ja.«
»War die CD von diesem Jungen nicht von dort?«
»Stimmt«, sagte Winter. »Er hat sie da gekauft. Wir haben es gecheckt.«
»Hatten sie mehrere Exemplare?«
»Das überprüfen wir gerade«, sagte Ringmar. »Genauer gesagt, wir überprüfen es noch einmal. Die Frage hatten wir ja schon mal auf dem Tisch.«
»Irgendwo muss er sich den Scheiß ja beschafft haben«, sagte Halders. Er sah Ringmar an, »Muss aber nicht unbedingt dort gewesen sein. Könnte ja auch in den USA gewesen sein. Die Band ist doch aus den USA.«
»Kanada.«
»Dann eben Kanada. Das ist nicht so weit von den USA entfernt. Und was ist in den USA? Die Wall Street ist in den USA. In New York, um genau zu sein. Manhattan, um noch genauer zu sein.«
»Sollen wir in Manhattan suchen?«, sagte Börjesson, einer der jüngeren Fahnder.
»Manhattan«, wiederholte Winter.
»Ja...«, sagte Halders. Er sieht aus, als ob er was Dummes gesagt hätte, dachte Aneta Djanali. Wieder mal.
»Manhattan...«, fuhr Winter fort. »Janne, kannst du bitte die Textkopien von der Sacrament-CD holen?«
Möllerström erhob sich und ging in sein Zimmer, kam aber schnell zurück. Winter nahm das Blatt entgegen und las.
Es stand... irgendwo... am Schluss... da. Er sah auf, schaute wieder aufs Blatt. Da war es. An zwei Stellen.
Er las die Passagen laut, zwei Zeilen an jeder Stelle, damit der Zusammenhang deutlicher wurde. Es ging um Manhattan. Kurze Besuche auf der Erde.
»Zum Henker«, sagte Halders, »ich hatte Recht.«
»Es kann aber auch ein Zufall sein«, sagte Winter. »Auch möglich, dass all diese Spuren, oder wie man es nennen soll, reine Desinformation sind.«
»Sinnlos, es drauf ankommen zu lassen«, sagte Halders. »Ich übernehm es gerne, die Sache an Ort und Stelle zu überprüfen.«
Du bist schon auf dem Weg ins Jahr 700 vor Christus, dachte Winter und las die Zeilen noch einmal. Manhattan war da, wenngleich als Ort tief im Schattental des Todes.
»Das macht die Sache nur noch schlimmer«, sagte Aneta Djanali. Sie sah Winter an. »Wie sollen wir überprüfen, ob das irgendwie Bedeutung hat? Manhattan? Sollen wir Fredrik nach Manhattan schicken?«
Alle brachen in Gelächter aus. Winter
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