Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
grüner, als er sich vorgestellt hatte. Büsche hingen über die weißen Mauern. Bougainvilleen. Sorgfältig gewässerte Rasenflächen waren zwischen den Gittern zu sehen. Er ging die wenigen Meter weiter bis zum Haus seiner Eltern. Es war das zweite und gleichzeitig das vorletzte auf der linken Seite. Ein Namensschild aus Porzellan: WINTER. Ein Briefkasten für CARTAS und ein Schild auf der anderen Seite der schwarzen Eisenpforte, das vor PERRO warnte. Winter lächelte. Seine Mutter hatte sich einem Hund noch nie auf mehr als zehn Meter genähert. Vielleicht sollte das Schild andalusische Einbrecher abschrecken, die lesen konnten.
    Auf der anderen Seite der Gasse konnte Winter auf einem Schild den Name n BERGLUND entziffern. Gerade war er am Nachbarn WESTERLUND vorbeigegangen. Selten hatte seine Mutter bei ihren kurzen Anrufen irgendwelche Nachbarn erwähnt. Er sah jetzt auch keine, hörte nichts.
    Die Pforte glitt ohne Widerstand auf, nachdem er aufgeschlossen hatte. Er stieg eine kleine Treppe hinauf und ging zur Rückseite des Hauses. Die Terrasse grenzte an eine rechteckige Rasenfläche, die von drei großen Palmen beschattet wurde. Sie besitzen also Palmen, dachte er und hörte drinnen das Telefon klingeln. Er fummelte mit den Schlüsseln herum, und endlich bekam er die Tür auf, aber das Telefon war verstummt. Nach zehn Sekunden klingelte es wieder. Winter betrat das kühle dämmrige Zimmer und hob den Telefonhörer ab.
    »Hallo?«
    »Du bist also angekommen, Erik! Sehr gut.«
    »Gerade eben.« »Wie gefällt es dir?«
    Er sah sich im Zimmer um. Es roch nach Einsamkeit und Stille, Sonne und Blumen und vielleicht nach Tabak. Draußen glitzerten die Palmenwedel in der Sonne. Auf der Terrasse standen ein weißer Tisch und drei weiße Stühle mit gelben Sitzkissen.
    »Ich bin erst vor einer Minute angekommen. Aber es sieht sehr schön aus.« »Meine Tasche steht oben im Schlafzimmer.« »Das hast du schon gesagt.« »Fahr vorsichtig.«
    »Ihr habt Palmen«, sagte Winter. »Das hab ich gar nicht gewusst.« »Sind sie nicht schön?« »Ja.«
    »Drei Stück.«
    »Auf den Karten, die ich bekommen habe, sah alles irgendwie anders aus.« »Was hast du denn gedacht?« »Ich dachte, es liegt näher am Meer.« »Es ist nur ein Kilometer, knapp.« »Man kann es von hier nicht sehen.«
    »So bleiben wir vom Wind verschont«, sagte seine Mutter. »Manchmal kann es ganz schön windig sein.«
    »Wie geht es Papa?«
    »Unverändert.«
    »Was hat Doktor Alcorta jetzt gesagt?«
    »Er wartet auf die letzten Untersuchungsergebnisse.«
    »Wenn er auftaucht, binde ihn fest, bis ich komme.«
    »Ich werd's versuchen.«
    »Brauchst du sonst noch was? Fällt dir grad was ein?« »Nein.«
    Winter sagte tschüs und legte auf. Er ging die Treppe hinauf und nahm die Tasche, die neben dem Doppelbett in dem kleinen Schlafzimmer stand. Er guckte aus dem Fenster, konnte das Meer aber immer noch nicht sehen, jetzt sah er jedoch mehr Himmel. Er war endlos blau, keine Wolken. Der Blick reichte über die anderen Häuser und Grundstücke an der Straße hinweg. Auf den Rasen, auf den Terrassen keine Menschenseele. Kein Hund und kein Einbrecher. Nichts.
    Ich will hier weg, dachte er. Er sah das Foto von seinem Vater auf dem Nachttisch und sehnte sich genauso sehr fort von hier, wie sich sein Vater hierher sehnte, das wusste er.
    Er ging die Treppe hinunter.
    Wenn sie wieder hier sind, besuche ich sie. Wir können da draußen bei ihren ewigen Gin Tonics sitzen und die Palmen anschauen.
    Winter verließ das Haus und schloss hinter sich ab. Er versperrte das Eisentor und ging die abschüssige Gasse hinunter, zurück zu der Kreuzung unter Johnnys Restaurant. Er hatte wahnsinnigen Durst. Oben bei Johnny werkelte ein Mann herum. Winter stieg die Treppe hinauf und sah, dass der Mann dabei war, das Lokal für den Tag zu öffnen. Winter fragte, ob er ein Glas Bier haben könnte, und der Mann nickte. Winter setzte sich. Der Mann brachte ein frisch gezapftes Cruz Campo, Winter trank und gab dem Ober ein Zeichen, dass er noch eins wollte, otra cana, por favor. Er sah auf die Kreuzung hinunter. Der Bus kam, und zwei Frauen stiegen aus. Der Bus fuhr weiter nach Puerto Banüs hinunter. Ein junger Mann knatterte auf einem Moped vorbei. Das Geräusch war das lauteste, was er heute gehört hatte. Ein Jogger schleppte sich vorbei, und Winter konnte ihn bis dort, wo er saß, japsen hören. Er trank von dem Bier. Würde er jemals hier in der Dämmerung sitzen und mit seinen

Weitere Kostenlose Bücher