Das vertauschte Gesicht
linken Augenwinkel wieder einen Streifenwagen. Er kam jetzt von der Aschebergsgatan, passierte die Kreuzung und wurde langsamer, als er sich näherte. Das Auto fuhr langsam vorbei, aber sie konnte das Gesicht des Fahrers wieder nicht sehen, da die Sonnenblende heruntergeklappt war. Sie folgte dem Auto mit Blicken, als es vorbeigefahren war, die Rücklichter blinkten noch einmal auf, wie zwei rote Augen. Dann bog es um die nächste Ecke und war verschwunden.
Offenbar waren heute Abend viele Streifenwagen unterwegs. Sie nahm den Fahrstuhl nach oben. Oder vielleicht war es auch dasselbe Auto? Razzia in den zwielichtigen Vierteln von Vasastan. Die zwielichtigste Gegend der Stadt. Nur Ausgestoßene der Gesellschaft. Die Verzweifelten. Kriminalbeamte. Ärzte. Verrückte Witwen, die sich ihr Vermögen auf verdächtige Weise beschafft hatten. Eine wohnt im gleichen Stockwerk wie Erik, dachte sie. Sehr alt, aber mich legt sie nicht rein, hatte Erik einmal im Fahrstuhl gesagt, als sie sich im Flur gegrüßt hatten. Manchmal höre ich Geräusche aus ihrer Wohnung wie von einer Art Messe. Hast du ihre Fingernägel gesehen? Nicht? Kein Wunder, sie hat nämlich gar keine! Aber sie bekommt manchmal seltsamen Besuch.
Angela hatte wirklich geschaudert. Daran dachte sie jetzt, während sie aus dem Fahrstuhl stieg und Frau Malmers dunkle Tür sah.
Rosemary's Baby. Der Gedanke tauchte aus dem Nichts auf.
Sie war Rosemary und neu eingezogen, richtig eingezogen, Erik begann, Frau Malmer spät aufzusuchen, und sie würde ein rhythmisches Murmeln durch die Wand hören. Eines Morgens würde Erik ein Pflaster auf der Schulter haben. Auf seiner Arbeitsstelle würde jemand eines tragischen Todes sterben. Der Chef der Abteilung. Erik würde seinen Job bekommen. Sie würde Frau Malmers exzentrischem, aber sehr gentlemanmäßigen alten Freund vorgestellt werden, der sie seinerseits einem neuen Gynäkologen vorstellen würde, der...
Sie hatte die Wohnungstür geöffnet und hörte, dass es drinnen klingelte. Sie ließ die Einkaufstüte los, schüttelte sich die Stiefel von den Füßen und ging die wenigen Schritte zu der Kommode im Flur, wo die Telefone standen.
»Ja«, meldete sie sich und hörte ihren eigenen Atem. »Bist du die Treppe raufgelaufen oder machst du Hausfrauengymnastik?«
»Hallo Erik! Nein, ich hab den Fahrstuhl genommen.« »Ganz schön anstrengend.« »Er ist unheimlich.« »Ja.«
»Man fantasiert allerhand Schreckliches zusammen, was in diesem Haus passieren kann.«
»Die alte Frau Malmer.«
»Wie kommst du auf die?«, fragte sie und bemerkte einen Anflug von Misstrauen in ihrer eigenen Stimme. Himmel.
»War blöd von mir. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Jetzt hör auf und erzähl von deinem Vater. Es klingt, als hättest du dich ein bisschen entspannen können.«
»Vielleicht. Eine Weile war es kritisch, aber sie haben was Neues mit den Adern gemacht, haben irgendwas gerichtet. Jetzt ist er wieder auf der Station.«
»Hast du endlich mit dem Arzt gesprochen?«
»Bist du verrückt? Jemand wie du müsste doch wissen, dass das unmöglich ist. Überall auf der Welt.«
Sie dachte an die Anklagen, die sie heute selber zu hören bekommen hatte. Dass sie nie da war.
»Verurteile uns nicht zu hart«, sagte sie.
»Papa klagt nicht, und das ist das Wichtigste«, sagte er. »Und wie geht's dir?«
»Ich hab klassische Gelüste auf Sardellen gekriegt und mich in den Regen gestürzt und bin von einem deiner Kollegen beschattet worden.«
»Beschattet? Von einem Kriminalbeamten? Nicht gerade diskret!«
»Steckst du vielleicht dahinter?«
»Was? Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Die Beschattung, durch die Kriminalpolizei?«
»Fühlst du dich wirklich beschattet?«
»Das hab ich doch nie gesagt.«
»Gerade eben hast du es gesagt.«
»Ich hab gesagt, dass ich von deinen Kollegen beschattet werde. Ich meine von der Polizei.«
Sie hörte seinen Seufzer in der Leitung, den ganzen Weg von der Costa del Sol bis hierher.
»Fangen wir noch mal von vorn an«, sagte er. »Erzähl noch mal von Anfang an. Ich höre zu und bin still.«
»Ich bin einkaufen gegangen, und da hat mich ein Polizeiauto verfolgt. Langsam. Die ganze Zeit. Als ich stehen blieb, um zu sehen, ob ich mich nicht täuschte, hat es die Scheinwerfer aufgeblendet und ist abgebogen.«
Winter sagte nichts.
»Als ich zurückkam und die Haustür öffnen wollte, kam wieder ein Polizeiwagen und fuhr langsam vorbei, genau wie vorher. Und als es an mir
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