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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Eltern Mittag essen? Pflegten sie hier zu sitzen? Plötzlich wollte er es wissen.
    Winter zahlte und ging hinaus in die Sonne und die Treppe hinunter. Der Alkohol hatte ihn etwas beruhigt, und er kehrte zum Auto zurück, vorbei an einem Büro für »Trabajo Temporal«, das wie ein Witz in diesem Milieu wirkte.
    Das Meer lag wie eine Platte aus Silber vor ihm, als er zurückfuhr. In Puerto Banüs hielten sich all die Menschen auf, die er oben in Nueva Andalucia nicht gesehen hatte. Die andere Seite der Corte Ingles war ein einziger Krater in der Erwartung von neuen Bauten. Nah am Wasser stand auf einem Sockel ein Engel, der dem Meer die Arme entgegenstreckte. Winter fuhr zurück nach Marbella, kam an einem Minarett vorbei, das ihm vorher nicht aufgefallen war, daneben Oriental Carpets, Real Estate Ivar Dahl. Die ganze Zeit sah er den Berg. Der Berg war wie ein Magnet für den Blick.
    Als er auf der Intensivstation ankam, war das Bett seines Vaters leer. Die Mutter war auch nicht da.
    »What the hell has happened?«, fragte er einen Krankenpfleger, der auf ihn zukam.
    »Your father is operating«, sagte der Krankenpfleger.
    Was für eine rasche Genesung, dachte Winter. Kaum ist Vater wieder auf den Beinen und schon ist er aktiver Chirurg.
    »Wo ist der Arzt?«, fragte er. »A... dönde estä? Doktor Alcorta?«
    »Er operiert.«
    »Meinen Vater? Operiert er meinen Vater?« Der Mann nickte. Jemand kam zur Tür herein. Winter drehte sich um.
    »Ich hab versucht dich anzurufen, bin aber nicht durchgekommen«, sagte seine Mutter.
    »Ich hab eine ganze Weile einen Kran vor mir gehabt, da konnte ich nichts hören.«
    »Plötzlich hat sich sein Zustand wieder verschlechtert.«
    »Himmel. Was ist es jetzt? Was ist passiert?«
    »Ich weiß nicht. Oh, Erik«, sagte sie und fing an zu weinen, und er ging auf sie zu und nahm sie in die Arme.
    »Hier sind deine Sachen.« Er wusste nicht, was er sagen sollte. »In der Tasche da.«
    »Doktor Alcorta kommt, wenn er fertig ist.«
    »Wann?«
    »Ich weiß doch auch nicht mehr als du, Erik.«
    »Weiß er denn mehr? Alcorta?« Sie sah ihn an. »Entschuldige, es macht mich wütend, wenn ich keine Auskunft kriege.«
    »An Warten musst du doch gewöhnt sein, Erik, Geduld zu haben. Aber... das hier ist ja etwas ganz anderes.«
    Er dachte darüber nach, was sie gesagt hatte. Konnte er warten, war er geduldig in seinem Beruf als Kriminalbeamter? Darauf lief die Frage wohl hinaus, aber er hatte nie die richtige Ruhe, die vielleicht nötig war, ein Ergebnis abzuwarten. Seine Rastlosigkeit gewann immer die Oberhand. Manchmal war das nicht gut, aber häufig zeigte es sich, dass seine Ungeduld Ermittlungen vorangetrieben hatte. Immer kam ihm eine Erleuchtung, aber jetzt war er nicht sicher, diesmal nicht. Er konnte nichts tun, nicht einmal ein Gespräch mit Alcorta erreichen.
    Das hier ist ja etwas anderes, hatte seine Mutter gesagt.
    »Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?«, fragte er jetzt. »Es ist ja nur eine Treppe runter.«
    »Das würde uns vielleicht gut tun.« Sie sagte etwas auf Spanisch zu dem Krankenpfleger, der an einem Schrank stand. Er antwortete mit wenigen Worten, und sie nickte. »Sie holen uns sofort, falls etwas passiert. Aber wir bleiben ja bloß zehn Minuten weg.«

10
    Angela schloss die Wohnungstür hinter sich und versuchte den Regenmantel auszuziehen, ohne dass allzu viel Wasser auf das Parkett tropfte. Ihr Gesicht war nass, auch ihre Haare waren nass geworden auf dem kurzen Weg von der Straßenbahn zur Haustür.
    Was für ein Tag. Patienten auf Tragbahren in den Korridoren. Für nichts Zeit. Ein Angehöriger hatte sie ein Phantom genannt, weil er zwei Tage lang vergeblich versucht hatte, sie zu erreichen. Oder waren es drei Tage gewesen? Ich bin hier gewesen und hab gearbeitet, hatte sie geantwortet, aber er hatte sie zweifelnd angesehen. Sie war wütend geworden, hatte es aber nicht gezeigt. Natürlich nicht. Sie war müde gewesen und hatte wieder Übelkeit gespürt.
    Sie streifte die Stiefel ab und ging in die Küche. Der Regen an den Fensterscheiben. Das kaum hörbare Zischen der Straßenbahnen auf dem Vasaplatsen. Ihr neues Zuhause. Das große Haus am Vasaplatsen.
    Ganz selbstverständlich war das alles nicht. Noch hatte sie die Wohnung in Kungshöjd nicht gekündigt. Sie lächelte. Erik würde nach Hause kommen, und sie würde aus Spaß zu ihm sagen, dass sie die Wohnung behalten wollte. Vielleicht würde er es glauben. Manchmal hatte sie den Eindruck, man könnte ihm

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