Das vertauschte Gesicht
ein Psychopath, aber ich bin nicht sicher. Vermutlich kein Psychopath. Irgendwie anders verrückt. Und kein Serienmörder.«
»Es ist also etwas... Persönliches.«
»Ich weiß ja nicht. Aber ich glaube, die Antwort finden wir in der Vergangenheit der Ermordeten. In beider, oder in ihrer, oder in seiner. Ja. In diesem Sinn persönlich.«
Ringmar seufzte hörbar.
»Wir können doch nicht jedes Blatt Papier und jede Erinnerung in Västeras und Kungsbacka umdrehen.«
»Wir sind ja nicht ganz allein. Es gibt Kollegen.«
»Es dauert ewig, wenn man den Weg von Menschen um Jahre zurückverfolgen will. Alle Beziehungen, die sie seit ihrer Geburt gehabt haben. Jede könnte ja entscheidend sein. Jede beliebige Person, die ihnen begegnet ist, könnte die sein, die wir suchen. Jede.«
»Wir müssen natürlich auswählen. Eliminieren.«
»Die Ermittlung ist schon eingeleitet worden«, sagte Ringmar ohne Lächeln.
»Vielleicht ist es auch in der Weise persönlich, dass die Ermordeten... Stellvertreter für andere sind«, sagte Winter. »Symbole. Vielleicht Statisten. Sie stehen für irgendwas. Der Lebensstil. Oder irgendetwas Banales wie ihr Aussehen.«
»Denkst du an die Köpfe?«
»Nein, nicht in diesem Zusammenhang. Aber auch das ist natürlich eine unerhörte... Botschaft. Vielleicht. Ein Symbol für etwas. Darüber wage ich nicht weiter zu spekulieren. Wie gesagt, wir brauchen Hilfe.«
Patrik saß in seinem Zimmer mit den Kopfhörern im Ohr und hörte nicht, wie sein Vater hereinkam und ihm die Hörer abriss.
Die Musik zischte wie eine Schlange aus den Ohrstöpseln, ringelte sich auf dem Fußboden zwischen den Leitungen.
»Ich schrei schon seit Stunden nach dir!«
»Ich hab's nicht gehört.«
»Klar, wenn du dir diesen Scheiß anhörst.«
Patrik nahm den Geruch nach Alkohol wahr und registrierte, wie der Vater mit einem unsicheren Schritt vom Bett zurücktrat. Dann überlegte er es sich anders und ließ sich schwer aufs Bett fallen.
»Was willst du?« Patrik streckte sich nach den Ohrstöpseln. Sie lagen zu weit entfernt, er stand auf, um sie aufzuheben, doch der Vater packte ihn am Arm.
»Die lässt du jetzt da liegen. Ich muss mit dir reden.«
»Über was?«
»Warte, ich muss nur noch etwas... erledigen.«
Der Vater stand auf und verließ das Zimmer. Patrik hörte deutlich, wie ein Flaschenverschluss aufgeschraubt wurde. Der Vater kam zurück. Der Geruch nach Schnaps war stark, stärker als vorher. Er setzte sich wieder aufs Bett.
»Sie zieht hier ein«, sagte er.
»Was?«
Der Vater sah ihn an. In seinem einen Auge waren zwei Äderchen geplatzt, es war deutlich zu sehen, wenn er zur Seite schaute.
»Ulla, du weißt doch. Mit der ich schon eine Weile... zusammen bin.«
Patrik wusste, wer Ulla war. Er hatte sie zweimal gesehen, und das waren zweimal zu viel gewesen. Das eine Mal hatte sein Vater sie über die Schwelle geschleift, und das zweite Mal war es umgekehrt gewesen, es war allerdings jedes Mal schwer zu erkennen gewesen, wer wen schleifte. Ulla. Sie war zu ihm gekommen und hatte sich über ihn geneigt, als sie das zweite Mal da gewesen war, als der Vater auf dem Sofa gelegen und wie ein Wildschwein geschnarcht hatte, wo sie ihn abgelegt hatte, und er hatte gedacht, er müsse kotzen, als sie sich über ihn beugte. Sie hatte etwas genuschelt, aber er war unter ihr hervorgekrochen, und sie war in seinem Bett eingepennt.
Jetzt sollte sie hier einziehen. Fucking great. Er hatte schon seinen Vater am Hals, und jetzt würde es doppelt gemütlich werden.
»Die soll hier einziehen? Das geht doch nicht.«
»Geht nicht? Hab ich richtig gehört?« Der Vater richtete sich schwankend auf. »Warum sollte meine Verlobte hier nicht einziehen dürfen?«
»Wir haben doch nur zwei Zimmer. Ich wohn... doch auch hier.«
»Man kann größere Wohnungen kriegen.«
Bestimmt. Wer wollte sie schon als Mieter haben?
»Aber wir haben nur ein Sofa.«
Der Vater schlief auf der Bettcouch im Wohnzimmer.
»Das kannst du haben«, sagte er.
»Was?«
»Wir brauchen dein Zimmer. Verdammt noch mal, das gehört dir nicht. Wir brauchen dieses Zimmer. Du bist ja sowieso selten zu Hause, da reicht das Sofa.«
Patrik fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er sah auf seine Plattensammlung, die Zeitungen, die Plakate.
»Ich soll... aus diesem Zimmer raus?«
»Sie zieht morgen ein.« Der Vater wandte sich zur Tür. »Es bleibt also dabei.« Er verließ das Zimmer, und Patrik hörte, wie er den Flaschenverschluss wieder
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