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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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abschraubte.
    Früher konnte er die Tür hinter sich zumachen, wenn es losging. Wohin sollte er sich jetzt zurückziehen, wenn er zu Hause sein musste?
    Er brauchte ja nicht zu Hause zu sein. Er wusste natürlich nicht, wo er hin sollte, aber er brauchte nicht nach Hause zu gehen. Er sah wieder auf seine Platten. Könnte Maria sie nehmen? Könnte er sich dort einmieten, mal vorübergehend? Er lachte, um nicht zu weinen.
    Angela schüttelte sich die Stiefel von den Füßen und setzte Teewasser auf. Die Sonne wurde von den Fenstern des gegenüberliegenden Hauses reflektiert und schien in die Wohnung. Das Licht da draußen war stark, stärker als in irgendeinem Winter, an den sie sich erinnern konnte. Es war Winter.
    Sie spürte eine Bewegung im Bauch und noch eine. Sie saß in der Küche, sah sich um. Alles, was sich in diesen Räumen befand, war ihres geworden. Das war ein gutes Gefühl. Sie hatte einiges von ihren Sachen mitgenommen, und Winters Junggesellenwohnung hatte sich langsam verändert. Aber so konnte man die Wohnung nicht mehr nennen. Sie war jetzt ein Teil ihres Lebens.
    Wir müssen neu tapezieren und da drinnen einiges verändern, dachte sie, oder wir ziehen in das Haus am Meer. Feste im Garten, unter den Sonnenschirmen. Kinderstimmen, im Gras ein Durcheinander von Kinderspielzeug. Erik mit der Kochmütze hinterm Grill, mit der Sonne um die Wette lächelnd.
    Das Telefon klingelte. Sie erhob sich schwerfällig und ging zur Anrichte.
    »Hallo?« Keine Antwort. Sie sah auf die Küchenuhr über der Tür, Viertel nach fünf. »Hallo?« Die Leitung war jetzt frei. Falsch gewählt, dachte sie.

27
    Dezember
    Es war wie in seiner Kindheit. Sonne in den Augen. Und Gerüche in der Nase, die sich bis lange in den Abend hielten. Man nahm sie noch in den Kleidern wahr, wenn man im Haus saß. Es hatte ein wenig nach Rauch gerochen und nach viel Schnee. Wie roch Schnee?
    Er bückte sich und nahm eine Hand voll Schnee, der überall lag. Die Sonne traf auf den Schnee und verwandelte ihn in leuchtendes Pulver, und er roch daran. Er überlegte, wie er roch. Er roch wie eine Erinnerung, die er nicht wieder fand. Genauso war es. Eine Erinnerung an etwas Schönes.
    Er schob die Erinnerung beiseite, und sie löste sich in Luft auf. Er ging in den Schatten der Häuser, und die Sonne war verschwunden.
    Der Schnee war eine Mauer, die sich fast den ganzen Weg bis zur Straßenkreuzung hinzog. Das Geschäft lag an der Ecke. Mini Livs, so hieß es. Der Laden hatte seinen Namen geändert, aber er wusste ja, wie er früher geheißen hatte. Hatte er das vielleicht beschrieben? Jedenfalls hatte er gesagt, wie das Geschäft früher geheißen hatte. Nicht direkt, aber schließlich konnte er nicht alles erzählen, oder? Nicht jetzt.
    Dort drinnen kannte man ihn. Das glaubte er jedenfalls. Dort hatte er seine Pflicht getan. Seine Pflicht. Er war ihr Freund, und er hatte gemerkt, dass sie ihn auf besondere Weise angeschaut hatte, aber er glaubte nicht, auf diese bestimmte Art. Er war ja nur ein Freund.
    Einmal war er drauf und dran gewesen, es zu sagen. Ich bin nur ein Freund.
    Ich bin nur jemand, der da ist. Nur jemand, der da war. Zur rechten Zeit am rechten Ort. Aber so war es ja gar nicht. Er war zur falschen Zeit dort gewesen. Oder galt das eher dem anderen, um ganz korrekt zu sein. Korrekt sein. Ganz korrekt.
    Kinder spielten auf dem Spielplatz zwischen den Häusern und der Straße, wo er wohnte. Viele Kinder. Jetzt konnten sie mit Schnee spielen. Der Schnee war nicht fest, er sah nirgends Schneemänner oder Schneelaternen. Er hob wieder eine Hand voll auf und versuchte, ihn zu einem Ball zu formen, aber es ging nicht. Die Kinder wussten, wann man ihn benutzen konnte, für Schneebälle oder für etwas anderes.
    Die Eisbahn hatten sie auch schon geflutet. Fast wünschte er, er hätte noch seine Schlittschuhe. Aber was hätte das genützt? Seine Füße waren jetzt doppelt so groß wie damals, oder?
    Der Weg war freigeschaufelt, aber das hätte besser gemacht werden können. Die Häuser sahen schäbig aus. Das ganze wirkte wie ein entvölkertes Dorf mitten in der Stadt. Entvölkerung mitten in der Stadt! Im Lebensmittelladen lichteten sich die Regale täglich. Sie brüsteten sich damit, dass sie persönliche Bedienung an der Fleischtheke hatten, aber er hatte noch nie jemanden dahinter gesehen. Noch nie. Oft war er nicht dort gewesen, aber trotzdem.
    Ein Auto fuhr vorbei, und er musste sich auf den Schneewall stellen. Hier war der Schnee

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