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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gar nicht mehr durch. Die Bösen umstellen den Gerechten, und so wird das Recht verdreht.«
    Und so wird das Recht verdreht. Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung. Winter las den Anfang des ersten Kapitels noch einmal von vorn. Er hatte seine Zeit mit dem Bösen gehabt... Aber er hatte angefangen umzudenken, oder hatte er von Anfang an so gedacht? Das Böse war kein unterirdisches Wesen. Das Böse waren Menschen, Handlungsweisen. Das Böse war eine Ungerechtigkeit.
    Darum ist das Gesetz ohne Kraft.
    Zum Teufel, nein. Er schlug das heilige Buch mit einem Knall zu und legte es auf den Schreibtisch. Es konnte Zufall sein, aber er glaubte nicht an Zufälle. Wenn der Mörder ausgerechnet die Musik mit dem Titel ausgewählt hatte, so war ein Sinn darin. Bald würden sie die CD, den Liedtext und die Bibel haben, und dann würden sie lesen. Warum? Wollte der Mörder mitteilen, dass die Welt böse war? Sie hatten the writing on the wall gesehen. Wollte er mitteilen, dass seine Welt böse war? Die Welt des Mörders? Oder Winters Welt? Die Welt der Menschen. Handelte es sich um dieselbe Welt?
    Der Text. Er wartete auf Patrik. Er musste den Text lesen. Die schwarz gekleideten Männer bei Desdemona hatten gesagt, ohne die Texte sei Black Metal sinnlos, dass es jedoch Texte waren, die niemand mit den Ohren erfassen konnte.
    Halders hatte die Tür offen gelassen, und Winter sah Patrik draußen mit Möllerström kommen. Der Registrator führte Patrik herein und ging wieder. Winter stand auf, und Patrik kam auf den Schreibtisch zu.
    »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Wieso«, sagte Patrik. »Was soll sein?«
    »Du hast da einen ziemlichen Bluterguss.«
    Patrik befühlte seinen Wangenknochen, unter dem rechten Auge.
    »Nichts Besonderes. Bin beim Aussteigen aus dem Bus gestolpert.«
    »Aus dem Bus? Red keinen Mist«, sagte Winter. Er kam um den Schreibtisch herum und beugte sich näher zu Patriks Gesicht. »Bist du damit im Krankenhaus gewesen?«
    »Nee.«
    »Das Jochbein könnte gebrochen sein.« Winter widerstand der Versuchung, die Wange des Jungen zu berühren. »Darf ich mal fühlen?«
    »Sind Sie auch Arzt?«
    »Lass mich mal fühlen.« Er hatte ihn kaum berührt, da zog Patrik den Kopf vor Schmerz zurück. »Tut es so weh?«
    Der Junge ließ den Kopf hängen. »Es war... der Bus«, murmelte er.
    »Nein«, sagte Winter. »Jemand hat dich geschlagen.« Patrik sah ihn an. Der blaue Fleck sah aus wie ein ungleichmäßiges Geburtsmal. Das Gesicht wirkte schief. »Es ist erst kürzlich passiert.«
    Patrik antwortete nicht. Er schien gehen zu wollen. In der Linken trug er eine flache Tüte.
    »Wer war das?«, fragte Winter. »Jemand in der Schule?«
    Patrik schüttelte den Kopf. Winter sah, dass seine Schultern zuckten. Ich darf ihn nicht verschrecken. Er hat Tränen in den Augen. Jetzt weint er. Er ist ja noch fast ein Kind.
    Patrik guckte zu Boden und weinte leise. Winter entschied sich und legte ihm einen Arm um die Schultern. Patrik stand mit dem Rücken zur offenen Tür, dort tauchte Ringmar auf, und Winter gab ihm ein Zeichen zu gehen.
    »Es ist okay, Patrik, okay.«
    Er hörte den Jungen die Nase hochziehen, und dann wand er sich aus der Umarmung. Er sah verlassen aus, wie auf der Flucht.
    »Setz dich, Patrik.«
    Er ließ sich auf den Stuhl sinken, fast fallen. Winter hockte sich einen Meter vom Stuhl entfernt hin.
    »Es ist zu Hause passiert, oder?«
    Patrik antwortete nicht, nickte nicht, zog die Nase hoch, sah alles andere an, nur nicht Winter.
    »Also, jetzt reden wir nicht mehr darüber, aber du musst das untersuchen lassen«, sagte Winter. Er richtete sich auf und ging zu Ringmar. »Kannst du bitte einen Streifenwagen besorgen, der den Jungen ins Sahlgrenska bringt?«
    »Wann?«
    »So schnell wie möglich.«
    Winter kehrte zu Patrik zurück, der nur ein kleiner Kopf über der Stuhllehne war, und setzte sich ihm gegenüber auf seinen Drehstuhl. In Patriks Gesicht zuckte es, und Winter sah, dass ihm das Weinen weh tat. Er stand wieder auf und holte ein Glas Wasser. Patrik trank. Wieder zog er die Nase hoch, stellte das Glas ab und machte eine Bewegung zu der Tüte auf dem Schreibtisch.
    »Wollen Sie das nicht haben?«
    »Klar«, sagte Winter, zog sie zu sich heran und nahm die CD heraus. »Das ist prima, Patrik.«
    »Sacrament«, sagte der Junge. Seine Stimme klang jetzt sicherer. Er strich sich mit der Hand über die Augen. »Das ist sie. Die Daughter-Scheibe.«
    »Wie heißt dein Kumpel?«

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