Das verwundete Land - Covenant 04
wollte keine rechte Ruhe finden; er war aus Besorgnis inwendig zu verkrampft. Während des Essens äußerte Covenant sich nicht dazu; und Linden, zu sehr durch ihre innere Zurückgezogenheit abgeschirmt, beachtete den Steinmeister ohnehin nicht. Aber später fragte Covenant ihn, was ihn so beschäftige.
»Ich habe keinen Felsboden entdeckt«, antwortete Sunder mit Grimm. »Der Mond neigt sich zum Untergehen und scheint zu schwach zwischen dies Heidekraut, als daß er mir bei der Suche eine Hilfe wäre. Ich weiß nicht, wie wir Marids Schicksal entgehen sollen.«
Covenant überlegte für ein Weilchen. »Ich werde dich tragen«, sagte er dann. »Wenn ich geschützt bin, dürftest du damit auch außer Gefahr sein.«
Der Steinmeister ging darauf mit einem steifen Schulterzucken ein. Doch er beruhigte sich keineswegs. Covenants Vorschlag verstieß gegen lebenslange, gewohnheitsmäßige Vorsicht. »Ich glaube, 's wird gutgehen«, sagte Covenant gelassen. »Ich hatte ja auch in bezug auf die Aliantha recht, oder nicht?«
Sunder reagierte lediglich, indem er sich zum Schlaf bettete. Doch als Covenant im Laufe der Nacht einmal kurz aufwachte und umherschaute, sah er den Steinmeister in die Dunkelheit des Heidekrauts hinaufstarren wie jemand, der seinem Augenlicht Lebewohl wünschte.
Das Trio erhob sich im Grau der frühen Dämmerung. Gemeinsam streifte es durch das überhohe Heidekraut, bis es eine dünner bewachsene Stelle fand, von der aus man den östlichen Horizont erspähen konnte. Seit dem vorangegangenen Abend wehte der Wind kräftiger und kühler. Covenant empfand ein Schaudern beängstigender Erwartung. Vielleicht waren Linden und er durchaus nicht dank ihrer Schuhe verschont geblieben; womöglich besaßen sie eine natürliche Immunität gegen das Sonnenübel. In dem Falle ... Sie hatten keine Zeit, um sich Alternativen auszudenken. Der Sonnenaufgang stand unmittelbar bevor. Linden nahm das Netz mit den Melonen. Covenant beugte sich vor und ließ Sunder auf seinen Rücken steigen. Dann schauten sie alle drei erwartungsvoll nach Osten. Covenant mußte sich nachgerade dazu ermahnen, nicht den Atem anzuhalten.
Die Sonne erschien in bläulichem Auflohen, gehüllt in eine saphirblaue Aura. Sie strahlte nur für einen Moment. Dann wälzten sich auch schon schwarzgraue Wolken wie die Vorhut einer Attacke westwärts.
»Die Sonne des Regens.« Mit merklicher Mühe löste Sunder die Finger von Covenants Schultern, in die er sie gedrückt hatte, und sprang auf den Erdboden. »Nun werden wir endlich«, raunzte er, wie um seine Brust von einer Beklemmung zu befreien, »mit einer gewissen Schnelligkeit unseren Weg fortsetzen können. Sollte es uns nicht gelingen, der Verfolgung zu entgehen, werden wir doch auf jeden Fall unser Leben noch ein wenig verlängern.« Unverzüglich wandte er sich in die Richtung zum Fluß und pflügte sich hastig Bahn durch die Stengel des Heidekrauts, als wolle er sich mit den Wolken auf einen Wettlauf einlassen.
Inmitten des im Anschwellen begriffenen Windes drehte sich Covenant nach Linden um. »Ist er in Ordnung?«
»Ja«, bestätigte sie ungeduldig. »Unsere Schuhe heben die Wirkung des Sonnenübels tatsächlich auf.« Während Covenant erleichtert nickte, schloß Linden sich Sunder sehr eilig an.
Das Heidekraut reichte noch ein beträchtliches Stück weit westwärts, machte dann jedoch reichlich unvermittelt einem Dickicht aus knorrigen Sträuchern Platz, die – so hoch wie Bäume – das Flußufer säumten. Die Wolken befanden sich bereits über den Köpfen der drei, und ein paar Regentropfen hatten vom Himmel zu fallen begonnen, als Sunder in das hohe Gesträuch eindrang. Unterwegs hackte oder brach er stämmige Äste von fast zwei Meter Länge ab, schnitt längere Stücke von Ranken herunter. All das schleifte er mit sich durchs Dickicht. Als er soviel gesammelt hatte, wie er tragen konnte, übergab er die Äste und Rankenstücke seinen Begleitern und machte sich daran, noch mehr Holz mit vergleichbaren Maßen zu schlagen.
Als die drei in Sichtweite des Flußbetts kamen, war nur im Westen noch ein schmaler Streifen des Himmels klar. Sunder strebte beschleunigt zum Rande des Flußufers. Dort schuf er Platz zum Arbeiten. Indem sie seinen barschen Anweisungen gehorchten, obwohl sie nicht wußten, was er im Schilde führte, halfen Covenant und Linden ihm dabei, die Äste und Ranken von den Zweigen und Blättern zu befreien. Danach legten sie sämtliche Äste der Länge nach aneinander,
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