Das verwundete Land - Covenant 04
sie sich weigerte, die Existenz ihres eigenen inneren Verächters anzuerkennen, wie sollte er sie dann überzeugen können? Und wie sollte er versuchen, sie gegen Lord Fouls Manipulationen zu schützen? Als sie ihm ruckartig ihre Hand entzog, sich erhob, als wolle sie den Implikationen seines Händedrucks entgehen, schaute er ihr nach, die Pein der Einsamkeit in seinem Herzen ununterscheidbar von der Furcht.
9
Flußfahrt
Etwas später kehrte Sunder zurück. Falls er Lindens Angespanntheit bemerkte, wie sie bleich und absolut für sich dastand, Covenant den Rücken zugewandt, verzichtete er doch darauf, irgendwelche Fragen zu stellen. Gelassen teilte er mit, daß er eine Örtlichkeit gefunden hatte, an der sie sich ungefährdet bis zum nächsten Morgen ausruhen konnten. Dann streckte er Covenant die Hand hin.
Covenant nahm die Hilfe an, ließ sich hochziehen. Die Muskeln in seinen Gliedmaßen fühlten sich an wie Asche; doch indem er sich auf Sunders Schultern stützte, vermochte er nochmals eine halbe Länge zurückzulegen, bis sie wieder an eine Fläche felsigen Untergrunds gelangten. Der Felsboden lag zwischen hohem Gesträuch, das zumindest einen gewissen Sichtschutz bot. Covenant streckte sich auf dem harten Stein aus und verschlief den restlichen Nachmittag. Nach einem Abendessen aus Ussusimiel überraschte er selbst sich damit, daß er die gesamte Nacht durchschlief.
Trotz der Härte seines Schlaflagers erwachte er erst kurz nach Sonnenaufgang. Inzwischen hatte Sunder bereits ein Fleckchen Erde vom Grün befreit und neue Melonen gesät. Als Covenant aufstand, kam Linden zu ihm. Sie mied seinen Blick, als könne sie nicht den Anblick seiner Gedanken ertragen, seiner Sorge um sie, das Gegengewicht seiner Überzeugung, untersuchte ihn wortlos und erklärte ihn zuletzt für fieberfrei und reisefähig. Irgend etwas, das sie an ihm bemerkte, machte sie betroffen, aber sie sagte nicht, um was es sich handelte, und er fragte nicht. Sobald Sunders neue Früchte reif waren, ergänzte er seinen Vorrat an Samenkernen und füllte sein Netz mit Melonen auf. Dann führte er Covenant und Linden erneut ins Gebüsch.
Der Mithil war nach Nordwesten abgebogen, und die drei folgten dem Verlauf seines Flußbetts, blieben so nah am Ufer, wie die Beschaffenheit des Geländes es zuließ. Anfangs machte ihr Marsch nur langsam Fortschritte; ein Gewirr von bodenwüchsigem Efeu versperrte ihnen den Weg, das sogar die Körperkräfte des Steinmeisters zu überfordern drohte. Jenseits des Efeus jedoch betraten sie einen tiefen, mit Banjanholz bestandenen Wald, und das Marschieren fiel leichter.
Dieser zweite Tag der Sonne der Fruchtbarkeit ließ das Banjanholz dermaßen in die Höhe schießen, wie Covenant es nie für möglich erachtet hätte. Zwischen den Stämmen erstreckten sich regelrechte große Straßen und Passagen; die üppig ineinander gewachsenen Zweige wölbten und streckten sich wie die hohe, gerippte Decke und die hochaufragenden Säulen einer bestimmten Stätte der Verehrung zu Schwelgenstein – oder wie in der riesigen Höhle der Erdwurzel unterm Melenkurion Himmelswehr. Die Wirkung war allerdings weniger großartig als unheilvoll. Jeder Ast, jeder Zweig schien unter dem eigenen Gewicht zu leiden. Mehrmals meinte Covenant, er höre aus der Ferne so etwas wie Hufschlag, aber sehen konnte er nichts.
Am folgenden Tag lernte das Trio einige der Folgen dieser gleichsam brandigen Fruchtbarkeit der Sonne kennen. Etwa zur Mitte des Vormittags mußten sie sich mühselig den Weg durch ein Gebiet suchen, in dem noch am Vortag ein Gehölz aus Zedern von mehr als hundert Meter Höhe wucherte; nun aber glich es dem Schauplatz einer ungeheuren Verwüstung. Irgendwann während der Nacht hatten Bäume das Übergewicht bekommen und waren gekippt; und jeder Baumriese, der stürzte, riß weitere mit sich hinab. Jetzt war das ganze Areal ein einziges Chaos aus gebrochenem Holz – Stämmen und Ästen, wie von den Fäusten eines Titanen zerrissen, zersplittert, zertrümmert. Die drei brachten den ganzen Tag damit zu, sich durch das geborstene Holz zu kämpfen.
Gegen Sonnenuntergang erreichten sie einen flachen, mit Heidekraut bewachsenen Hügel; das Heidekraut war doppelt mannshoch und wogte im Wind mit lebhaftem Geraschel. Sunder ging die armdicken Stengel mit seinem Messer an, und schließlich gelang es ihm, das Dicht an Dicht des Krauts soweit zu lichten, daß sie Platz genug hatten, um sich hinzulegen. Sunder allerdings
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