Das verwundete Land - Covenant 04
um?«
»Ja!« fauchte Sunder.
Sofort begehrten in Linden sämtliche Instinkte auf. Wie ein Schock ereilte ein Aufkommen von Zielbewußtsein sie, sorgte erstmals in ihrem geisteszermürbenden Verhältnis zum Lande für eine gewisse Klarheit. Plötzlich war ihr einiges von Covenants bereitwilliger Leidenschaftlichkeit begreiflich. »Sunder«, sagte sie kaum vernehmlich, »wir müssen sie retten.«
»Retten ...?« Fast verlor Sunder die Gewalt über seine Stimme und ihre Lautstärke. »Wir sind nur zwei gegen ein ganzes Steinhausen. Und der Gefolgsmann ist machtvoll.«
»Wir müssen's!« Linden forschte nach einem Weg, um ihn zu überzeugen. Man durfte nicht zulassen, daß man diese Frau ermordete. Weshalb sonst hätte Covenant versuchen sollen, Joan zu retten? Warum sonst hatte Linden selbst ihr Leben riskiert, um Covenants Tod zu verhindern? »Covenant hat versucht«, sagte sie eindringlich, »Marid zu retten.«
»Ja«, knurrte Sunder. »Und sieh, wie hoch der Preis ist.«
»Ach was.« Einen Moment lang blieb sie noch dazu außerstande, die Antwort zu finden, die sie brauchte. Dann kam sie darauf. »Was ist eine Sonnenweise?«
Sunder sah sie an. »Ein solches Wesen kann's nicht geben.«
»Und was soll es sein?« Linden blieb hartnäckig.
»So wie's der Gefolgsmann beschrieben hat«, murmelte Sunder. »Das ist jemand, der das Sonnenübel nach Wunsch hervorrufen kann.«
Linden musterte ihn mit aller Entschlossenheit. »Dann brauchen wir sie.«
Die Augen schienen Sunder aus den Höhlen zu quellen. Seine Hände tasteten fahrig umher, als suche er irgendeinen Halt. Doch er konnte sich der Stärke ihres Arguments nicht verschließen. »Wahnsinn«, zischte er durch die Zähne. »Wir sind ... alle wahnsinnig.« Er ließ seinen Blick kurz über das Steinhausen schweifen, als suche er irgend etwas, das ihm Mut einflößen könne. Dann gelangte er zu einem Entschluß. »Bleib hier«, forderte er Linden mit unterdrückter Stimme auf. »Ich werde des Gefolgsmanns Landläufer aufspüren. Mag sein, dem Tier läßt sich etwas antun, oder daß es sich fortjagen läßt. Dann wäre es ihm unmöglich, sie mitzunehmen. Und wir gewännen Zeit, um ein anderes Vorgehen zu erwägen.«
»Gut!« antwortete Linden eifrig. »Falls man die Versammlung inzwischen beendet, werde ich darauf achten, wohin man sie bringt.«
Sunder nickte knapp. »Wahnsinn«, brummte er vor sich hin, während er übers Dach zur anderen Seite des Gebäudes kroch, dann hinabsprang und den Beutel an sich nahm. »Wahnsinn.«
Linden widmete ihre Aufmerksamkeit wieder Hollian und den anderen Bewohnern des Steinhausens. Die junge Frau war jetzt auf die Knie gesunken, bedeckte das Gesicht mit den Händen. Der Gefolgsmann stand neben ihr, drohte ihr mit dem Zepter; sein Gebrüll jedoch galt dem ganzen Steinhausen. »Glaubt ihr fürwahr, ihr vermöchtet den Zorn des na-Mhoram zu ertragen? Übermütig seid ihr und dreist. Bei den Drei Pfeilern der Wahrheit! Nur ein Wort von mir, und die Sonnengefolgschaft wird solche Verwüstung über euch senden, daß ihr darum betteln werdet, uns diese Sonnenseherin ausliefern zu dürfen, und mit alldem werdet ihr nichts erreichen.«
Urplötzlich sprang die Frau auf, hastete zum Steinmeister. »Croft!« keuchte sie in äußerster Verzweiflung. »Erschlag diesen Gefolgsmann! Laß ihn der Sonnengefolgschaft keine Kunde bringen. Dann bleibe ich im Steinhausen Kristall, und die Sonnengefolgschaft erfährt nichts von dem, was wir getan haben.« Ihre Hände packten sein Wams, sie rüttelte an ihm. »Croft, hör auf mich. Töte ihn!«
Sivit grölte ein verächtliches Lachen. Dann sank seine Stimme herab, klang nun leise und bedrohlich. »Zu dergleichen fehlt euch die Macht.«
»Er spricht wahr«, sagte Croft leise zu Hollian. Kummer verzerrte seine Gesichtszüge. »Er bedarf nicht einmal eines Zorns , um uns ins Verderben zu stürzen. Ich muß seinen Willen erfüllen, oder wir werden nicht lange genug überleben, um unsere Aufsässigkeit zu bereuen.«
Ein artikulationsloser Aufschrei entfuhr Hollian. Für einen Moment befürchtete Linden, die junge Frau werde in Hysterie ausbrechen. Doch Hollians Entsetzen gebar Grimm und Würde. Sie hob den Kopf, straffte ihre Haltung. »So liefert ihr mich denn aus«, sagte sie bitter. »Ich bin ohne Hilfe und Hoffnung. Doch zumindest erweist mir die Ehre, die meinem Wert gebührt. Überlaßt mir mein Lianar .«
Croft betrachtete den hölzernen Stab in seinen Händen. Die Verkrampfung seiner
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