Das verwundete Land - Covenant 04
bis zum äußersten mit ihm geteilt, und doch hatte er sie um Andelains willen verlassen. Und das Gift stak noch immer in ihm. Linden hätte sich nicht einsamer fühlen können, wäre ihr Dasein allen Sinns zum Weiterführen beraubt worden.
Aber ihre Entscheidung war getroffen. Sie hatte Covenants Krankheit erfahren, als wäre es ihre eigene gewesen, und ihr war klar, daß auch er sich nicht anders zu entscheiden vermocht hatte. Sie zog diese leblose Wüste aus Stein der Lieblichkeit Andelains vor, weil sie sie besser verstand, sich ihr stärker verschließen konnte. Nach ihren Bemühungen, Covenant zu retten, hatte sie sich geschworen, sich nie wieder irgend etwas so intim auszusetzen, nicht noch einmal zuzulassen, daß die hier im Lande entstandene ungewöhnliche Sensitivität ihrer Sinne ihre unabhängige Identität bedrohte. Dieser Eid ließ sich leichter halten, wenn die Wahrnehmungen, denen sie ihr Herz verschloß, Wahrnehmungen des Ruins waren, so wie von diesem toten Stein, der dem Schutt einer Katastrophe glich, statt solche von reinem Holz, duftendem Gras, Reichtum an Aliantha . Auf ihre Weise hegte Linden gleichartiges Mißtrauen wie Hollian. Andelain war weit verführerischer als dieser Fels ringsum. Linden wußte absolut sicher, daß sie es sich nicht leisten konnte, irgendeiner Verführung zu erliegen.
Verloren in ihrem alten Trübsinn, Augen und Ohren allem gegenüber blind und taub, als hätte sie die Fenster ihres Bewußtseins vernagelt, die Türen verrammelt, begriff sie Sunders Warnruf zu spät. Urplötzlich sprangen Männer mit Keulen und Messern aus ihren Deckungen. Sie rangen mit Sunder, während er sich abmühte, seinen Dolch zu heben, den Sonnenstein zu benutzen. Linden hörte ein dumpfes Geräusch, als sie ihn niederschlugen. Man packte Hollians Arme, ehe sie ihr Messer gebrauchen konnte. Linden fuhr hoch; aber sie hatte keine Chance. Ein wuchtiger Hieb brachte sie ins Taumeln. Während sie nach Luft keuchte, fesselte man ihr die Hände auf den Rücken. Im folgenden Augenblick zerrten rohe Fäuste sie und ihre Begleiter vom Fluß fort.
Einige Zeit lang, während sie schnaufte und dahinstolperte, vermochte sie sich der neuen Eindrücke, die auf sie einstürmten, nicht zu erwehren. Ihre Sinne fühlten die Gewalttätigkeit der Männer, spürten ihre Brutalität, als handle es sich um eine Form eingefleischter Lust. Sie empfand die Verzerrung und Verunstaltung des Geländes immer stärker. Unwillkürlich erkannte sie, daß man sie zur Quelle seines Abgestorbenseins verschleppte, daß diese Menschen Geschöpfe derselben Kraft waren, die diese Region abgetötet hatte. Sie mußte die Augen schließen, ihren Geist in straffe Knoten flechten, um die unerwünschte Wahrnehmung dieser Zumutung abzuschwächen.
Schließlich drängte man die drei Gefährten durch einen engen Felsspalt hinab in den Cañon von Holzheim Steinmacht.
Linden hatte noch kein Holzheim gesehen, und der Anblick, der sich ihr bot, war ihr sofort zuwider. Die achtlos zurechtgezimmerten Häuser, die schlampigen Menschen, die Blutrünstigkeit der Steinmeisterin – diese Dinge unterminierten den Eindruck mühsam aufrechterhaltener Redseligkeit, den sie von Personen wie Sunder und Hollian gewonnen hatte. Aber alles andere trat in den Hintergrund, als sie den unheilvollen grünen Stein der Steinmeisterin sah, von dem Dampf aufstieg. Der Stein flutete ihre Augen mit Bösem, reizte ihre Nase wie ätzende Säure; er stand über jeder Macht, die sie bisher kennengelernt hatte, leuchtete von stärkerer Schlechtigkeit, ausgenommen das Sonnenübel selbst. Dieser smaragdgrüne Brocken war die Ursache all des Verderbens im Umland, der Urheber der bedrohlichen, rücksichtslosen Wildheit der Holzheimer. Tränen blendeten Linden. Zuckungen verkrampften ihr Bewußtsein wie ein Verlangen, sich zu übergeben. Doch sie konnte sich nicht taub gegenüber der Bosheit der Steinmeisterin stellen, als die Frau ihre Absicht verkündete, die Gefangenen am nächsten Morgen zu töten.
Danach sperrte man Linden und die Steinhausener in eine krude Hütte, die auf Pfählen stand, und überließ es ihnen, dem angedrohten Tod entgegenzusehen, so gut es ging. Linden vermochte keinerlei Gegenwehr zu leisten. Sie war in eine Krise der Selbstbehauptung geraten. Durch die Nähe der Steinmacht war sie deren Ausstrahlung ständig gewahr. Die Emanationen zehrten an ihrem Herzen, brachten sie innerer Auflösung nahe wie ein Sog. Nein , wiederholte sie immerzu, während sie
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