Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
ritt er mit seinen unfreiwilligen Begleitern nach Schwelgenstein weiter, als wäre nichts geschehen.
    Und es war nichts geschehen. Linden wußte nichts, verstand nichts, wollte nichts. Der Gefolgsmann hätte sie auf jede Art und Weise mißbrauchen können, die ihm behagte. Möglicherweise hätte sie gar nichts empfunden, wäre es ihm eingefallen, irgendwelchen Anwandlungen nachzugeben. Aber er tat nichts derartiges. Allem Anschein nach besaß er klare Vorstellungen von seinem Ziel. Nur die Erwartung in seinen Augen bezeugte, daß dies Ziel alles andere war als angenehmer Natur.
    Nach Tagen innerer Leere wäre Linden regelrecht dankbar für jede fremde Absicht gewesen, die ihr vorheriges Selbst wiederhergestellt hätte. Irgendeine beliebige Absicht. Thomas Covenant hatte in ihren Gedanken zu existieren aufgehört. Vielleicht hatte er tatsächlich aufgehört zu existieren. Es mochte sein, daß er nie existiert hatte. Nichts war noch sicher, außer daß sie Santonins Befehl brauchte, um sich Nahrung in den Mund schieben zu können.
    Auch der Anblick Schwelgensteins, der Feste des na-Mhoram, als sie sich am zweiten Tag einer Sonne der Fruchtbarkeit aus dem emporgeschossenen Urwald erhob wie ein steinernes Schiff, vermochte ihre Lebensgeister nicht zu wecken. Sie nahm, was sie sah, nur distanziert zur Kenntnis. Die Tore öffneten sich vor dem Gefolgsmann, um ihn einzulassen, schlossen sich hinter seinem Landläufer; und all das bedeutete ihr nichts.
    Drei oder vier Gestalten, die seiner Erscheinung ähnelten, empfingen na-Mhoram-In Santonin; sie begrüßten ihn mit Respekt, als stünde er rangmäßig über ihnen. Wieder benutzte man Worte, die Linden nicht kannte. Dann befahl er seinen Gefangenen, vom Landläufer zu steigen.
    Linden, Sunder und Hollian gehorchten und folgten ihm in einen immensen, unzureichend beleuchteten Stollen. Indem Santonin voranging, beschritten sie die Innenräume der gewaltigen Festung. Sie durchquerten Korridore und Gewölbe, passierten Kreuzgänge und erstiegen Treppen, ohne sie zu beachten, ohne sich etwas zu merken. Linden bewegte sich dahin wie ein leeres Gefäß, völlig dazu außerstande, sich irgendwelche Details der Verhältnisse innerhalb der Mauern aus uraltem Felsgestein einzuprägen. Der Weg, den Santonin mit ihnen durch das Bauwerk nahm, schien keine Dauer und keinen Sinn zu haben.
    Er jedoch blieb seines Ziels bewußt. Er brachte seine Gefangenen in eine geräumige Kammer, die einer Grube im Boden Schwelgensteins glich. Ihre schrägen Seiten waren unregelmäßig und grob, als wäre eine frühere Galerie oder Arena von Lava zugedeckt worden. Am Grunde der Grube stand ein Mann in tiefschwarzer Robe und dunkelroter Kasel. Er hielt einen langen eisernen Stab mit einem offenen Dreieck am oberen Ende. Seine Kapuze war zurückgeworfen, enthüllte Gesichtszüge, die im Fackelschein jedoch ebenfalls verschwommen und stumpf wirkten. Seine Gegenwart stach in die verbliebenen Überreste von Lindens Identität wie eine heiße Klinge. Hinter ihrer äußeren Passivität begann sie zu jammern. Der Mann war ein Wütrich.
    »Drei Narren«, sagte er mit einer Stimme wie kalte Schlacke. »Hatte auf vier gehofft.«
    Santonin und der Wütrich besprachen sich in fremdartigen, nichtssagenden Worten. Der Gefolgsmann holte die Steinmacht heraus und gab sie dem Wütrich. Smaragdgrün spiegelte sich in den Augen des Wütrichs; ein aufschlußreiches Lächeln verzog das Fleisch seiner Lippen. Er schloß eine Faust um den grünen Brocken, so daß er Strahlenkegel wie üppige Farne der Macht warf. Lindens stummes Geheul starb durch die Armseligkeit ihres Wesens den Hungertod.
    Dann trat der Gefolgsmann beiseite, und der Wütrich kam zu den Gefangenen. Sein Gesicht glich in Lindens Blickfeld einem verwaschenen Flecken Bosheit. Er sah sie direkt an, erforschte die Rudimente ihres Ichs, ermaß sie, ließ verächtlich davon ab. »Dir darf ich keinen Harm zufügen«, sagte er mürrisch, beinahe mit Bedauern. »Unversehrt wirst du alles Unheil anrichten, das ich mir nur zu wünschen vermöchte.« Sein Blick wich von ihr, als sei sie zu unscheinbar, um weitere Beachtung zu verdienen. »Anders jedoch verhält's sich mit diesen Abtrünnigen.« Er wandte sich Sunder und Hollian zu. »Es hat keine Bedeutung, wenn wir sie zerbrechen, ehe wir ihr Blut vergießen.« Er drückte die Steinmacht an seine Brust. Die Ausdünstung des Steins kräuselte sich empor zu seinem Gesicht. Mit geweiteten Nasenflügeln atmete er den Dampf,

Weitere Kostenlose Bücher