Das verwundete Land - Covenant 04
als handle es sich um ein seltenes Rauschgift. »Wo ist Thomas Covenant?« Die Steinhausener reagierten nicht, konnten es nicht. Auch Linden stand, wo der Wütrich sie stehengelassen hatte, wie eine unbeachtete Puppe. Doch ihr Herz krampfte sich in plötzlichem Grauen zusammen. Der Wütrich machte eine knappe Geste. Santonin murmelte leise auf seinen Rukh ein. Schlagartig erlosch die Gewalt des Stabes über Sunder und Hollian. Die beiden schwankten, als hätten sie vergessen, wie man mit den Gliedmaßen umging, richteten sich schlottrig auf. Sunders Augen waren aus Furcht stier, als erblickte er vor sich den greulichen Taufstein und den grausamen Herrn der eigenen Existenz. Hollian bedeckte das Gesicht wie ein eingeschüchtertes Kind. »Wo ist Thomas Covenant?«
Angetrieben durch einen Impuls, der stärker eingefleischt war als Wille oder Verstand, rafften die zwei Steinhausener sich mühselig auf und versuchten, die Flucht zu ergreifen. Der Wütrich ließ Hollian laufen. Mit der Steinmacht sandte er eine energetische Hand aus, die dagegen Sunder um den Hals packte. Heißes Smaragdgrün würgte ihn wie eine Garrotte, zwang ihn auf die Knie. Als Sunder zurückblieb, verharrte Hollian, schwang sich herum, wandte sich wieder dem Wütrich zu. Ihr pechschwarzes Haar umwogte ihr Haupt wie Schwingen. Der Wütrich zog grünes Übel um Sunders Kehle zusammen. »Wo ist Thomas Covenant?« Sunders Augen waren blind aus Furcht und Drangsal. Sie quollen aus den Höhlen. Trotzdem gab er keine Antwort. Er biß die Zähne aufeinander, blieb still. Der Wütrich verstärkte den Druck. »Sprich!«
Die Muskeln von Sunders Kiefer verspannten sich, krampften sich zusammen, als versuche er, sich die Zähne auszubrechen, seine Stimme zu zermalmen und für immer zum Schweigen zu verurteilen. Indem die Kraft um seine Gurgel stärker zudrückte, traten diese Muskeln deutlicher hervor, erstarrten, zeichneten sich gegen die Düsternis seiner Furcht und der Strangulation ab. Es schien unmöglich, daß er dermaßen die Zähne aufeinanderbeißen konnte, ohne die Stränge seiner Kiefer zu zerreißen. Aber er antwortete nicht. Schweiß brach ihm aus den Poren, als werde ihm das Mark seiner Knochen aus der Haut gequetscht. Doch seine unnachgiebige Verweigerung blieb bestehen. Ein Gerunzel des Mißmuts furchte die Stirn des Wütrichs. »So willst du denn nicht sprechen«, säuselte er. »Aber ich werde, wenn's sein muß, deiner Seele selbst Worte entpressen.« Seine Hand umklammerte die Steinmacht, als wäre er vollauf willens, deren gesamte Macht aufzubieten. »Wo ist Thomas Covenant?«
»Tot.« Ein Wimmern verzerrte Hollians Stimme. Linden spürte die Lüge tief im Innersten von Hollians Hilflosigkeit. »Verschollen.«
Der Wütrich nahm den Blick nicht von Sunder, lockerte nicht den Würgegriff seiner grünen Energie. »Wie das?«
»In Andelain«, keuchte die Sonnenseherin. »Er hat's betreten. Wir haben auf ihn gewartet. Er ist nicht wiedergekehrt. Sunder ...« Sie stöhnte auf, als sie diese Äußerung hinzufügte, um ihre Lüge abzurunden. »Vergib mir.«
»Und der Ring aus Weißgold?«
»Ich weiß es nicht. Verloren. Er ist nicht zurückgekehrt.«
Der Wütrich antwortete Hollian nicht, sah sie noch immer nicht an. Doch er löste den Griff um Sunders Hals ein wenig. »Deine Verstocktheit«, sagte er leise, »scheint mir anzuzeigen, daß Thomas Covenant lebt. Wenn er tot ist, warum könnte dir daran liegen, mich glauben zu machen, er lebe noch?«
Im Sammelsurium der Bruchstücke ihres Egos hoffte Linden, Sunder werde Hollians Unwahrheit untermauern, sowohl in seinem wie auch in Covenants Interesse. Langsam entkrampfte der Steinmeister seine Kiefer. Hinter der Glasigkeit seiner Augen glomm neue Klarheit auf. »Es ist mein Wunsch«, röchelte er durch die eingeschnürte Kehle, »daß du Grund zur Furcht hast.«
Ein schwaches Lächeln, das eine Verheißung von Mord andeutete, umspielte die Lippen des Wütrichs. Doch das sichere Bewußtsein seiner eigentlichen Absichten – wie Linden es zuvor schon bei Santonin festgestellt hatte – hielt ihn zurück. »Wirf sie in den Kerker«, äußerte der Wütrich zu dem Gefolgsmann. Linden konnte nicht ersehen, ob er Hollians Lüge glaubte. Sie vermochte gegenwärtig nichts zu unterscheiden als die überdeutliche Schlechtigkeit der Ziele des Wütrichs.
Mit wenigen Worten versetzte Santonin die beiden Steinhausener erneut in den gleichen Zustand, in dem sich Linden noch befand. Indem sie sich bewegten
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