Das verwundete Land - Covenant 04
Furcht‹, hat er außerdem gesagt. ›Du wirst nicht scheitern, wie sehr er dich auch bedrängen mag.‹« Damit verstummte sie, weil sie keine Bereitschaft verspürte, auch den Rest auszusprechen. Covenants Schultern begannen zu beben. Unerbittlich nutzte Linden die Situation. »Wen hat er gemeint? Sie?« Covenant gab keine Antwort. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Oder hat er von jemand anderem geredet? Hat irgend jemand Joan etwas angetan?« Ein Laut der Pein glitt wie eine Scherbe über Covenants Lippen, ehe er sich wieder beherrschen und sie zusammenpressen konnte. »Oder soll irgend etwas mit mir geschehen? Was gehe ich den Alten überhaupt an? Warum haben Sie gesagt, ich wäre von ihm ›auserwählt‹ worden?«
»Er benutzt Sie für seine Zwecke.« Covenants Hände verundeutlichten seine Stimme. Doch er bekam sich wieder in die Gewalt. Als er die Arme sinken ließ, war sein Tonfall matt, seine Stimme schwach, ganz wie zusammengesunkene Asche. »Er ist genauso wie Berenford. Er glaubt, ich brauche Hilfe. Ich könnte es diesmal allein nicht schaffen, meint er.« Eigentlich hätte seine Stimme, so merkte man, nach Verbitterung klingen müssen; aber anscheinend hatte er vorübergehend sogar diese Eigenschaft abgelegt. »Der einzige Unterschied ist, daß er weiß ... was ich weiß.«
»Dann verraten Sie's mir«, drängte Linden. »Lassen Sie mich versuchen, es auch zu verstehen.«
Mit einer Aufbietung von Willenskraft straffte sich Covenant, so daß er sich aufrecht gegen den Lichtschein der Beleuchtung abhob. »Nein. Vielleicht kann ich Sie nicht zurückhalten, aber so viel steht fest, ich muß nicht auch noch nachhelfen. Ich werde nichts dazu beitragen. Wenn's sich nicht vermeiden läßt, daß Sie sich in dieser Geschichte betätigen müssen, werden Sie sich was auszudenken haben, wie Sie's ohne mich tun.« Er verstummte, als sei er fertig. Dann jedoch heischte er sie noch einmal an. »Und richten Sie diesem Halunken Berenford aus, er soll mir zur Abwechslung mal Vertrauen schenken!«
Widerworte entstanden in Lindens Kehle. Warum sollte er? wollte sie zurückschreien. Sie trauen ja auch niemandem! Doch als sie gerade die Lungen mit Luft füllte, um ihm den Vorwurf entgegenzuschleudern, durchstach ein Schrei die Luft.
Eine Frau stieß einen wüsten, gräßlichen Schrei aus. Es schien unmöglich, daß jemand so extremes Grauen empfinden und dennoch bei Verstand bleiben konnte. Der Schrei schrillte wie ein Gellen mitten aus dem Herzen der Nacht.
Noch ehe er verhallte, befand sich Linden an Covenant vorüber unterwegs zur Haustür.
Er packte Linden am Arm; doch sie befreite sich vom Zugriff seiner halben Hand, schüttelte ihn ab. »Ich bin Ärztin .« Indem sie ihm weder zum Erteilen einer Einwilligung noch zum Aussprechen eines Verbots Zeit ließ, riß sie die Tür auf und betrat das Haus.
Jenseits der Tür gelangte sie ins Wohnzimmer. Trotz der Teppiche und Bücherregale wirkte es kahl; keine Bilder und keinerlei dekorative Gegenstände waren vorhanden; das einzige wirkliche Mobiliar bestand aus einem übermäßig gepolsterten, langen Sofa und einem davor aufgestellten Kaffeetisch. Beide nahmen die Mitte der Räumlichkeit ein, wie um den Platz rund um sie begehbar zu machen.
Linden widmete dem Raum einen flüchtigen Blick, dann durchmaß sie einen kurzen Gang bis in die Küche. Auch dort beanspruchten nur ein Tisch und zwei Stühle mit senkrechten Rückenlehnen den Mittelpunkt des Raumes. Sie strebte daran vorbei und ging in einen weiteren Korridor. Covenant kam ihr nachgeeilt, als sie an zwei geöffneten Türen vorüberschritt – dem Bad, seinem Schlafzimmer – und am Ende des Korridors eine weitere Tür erreichte. Sie war geschlossen.
Ohne zu zögern griff Linden nach dem Türknopf.
Covenant umklammerte ihr Handgelenk. »Hören Sie zu.« Seine Stimme mußte irgendwelche inneren Regungen zum Ausdruck gebracht haben – Eindringlichkeit, Besorgnis, irgend etwas –, doch Linden bekam davon nichts mit. »Soviel müssen Sie verstehen. Es gibt nur einen Weg, um einen Menschen zu verletzen, der bereits alles verloren hat. Man gibt ihm etwas zerbrochen zurück.«
Linden umfaßte den Türknopf mit ihrer freien Hand. Covenant ließ von ihr ab. Sie machte die Tür auf und trat in das dahinter befindliche Zimmer. Alle Lichter waren eingeschaltet.
Joan saß in der Mitte des Zimmers auf einem Bett mit eisernem Gestell. Ihre Fußknöchel und Handgelenke waren mit Stoffstreifen auf eine Art und Weise
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