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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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diesem hübschen Städtchen haben sogar versucht, ihn fortzuekeln. Ein paarmal mußte er noch zu uns ins Krankenhaus, das zweite Mal war er halbtot ...« Es hatte den Anschein, als zucke Dr. Berenford bei der Erinnerung daran zusammen. »Die Lepra war wieder akut geworden. Wir mußten ihn noch einmal ins Leprosorium einweisen. Als er dann wieder zurückkam, war alles anders. Allem Anschein nach hatte er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden. Seit zehn Jahren ist er nun gesund. Vielleicht ein bißchen bitter – nicht gerade, was man leutselig nennen würde –, aber immerhin zugänglich, vernünftig und sogar mitfühlend. Jedes Jahr bezahlt er für einige unserer mittellosen Patienten die Rechnungen.« Der Chefarzt seufzte: »Wissen Sie, es ist merkwürdig. Dieselben Leute, die mich andauernd bekehren möchten, glauben offenbar, daß sie auch ihm das Heil bringen müssen. Er ist Leprotiker und geht nicht in die Kirche, und obendrein hat er Geld. Einige unserer hiesigen Evangelisten betrachten das nahezu als Beleidigung des Allmächtigen.«
    Der professionelle Teil von Lindens Innerem nahm die Tatsachen in sich auf, die Dr. Berenford berichtete, schied sie von seinen subjektiven Auffassungen. Aber ihr Sinnen ließ vor ihr in der Dunkelheit Covenants Gesicht aufkommen. Allmählich gewann dies von Not gekennzeichnete Gesicht für sie einen realeren Charakter. Sie erkannte die Falten von Einsamkeit und Verbitterung in seiner Miene. Sie reagierte auf die harte Strenge seiner Erscheinung, als habe sie einen Leidensgefährten gesehen. Immerhin war auch sie vertraut mit Bitternis, Verlust und Vereinsamung.
    Doch zur gleichen Zeit gaben die Ausführungen des Chefarztes ihr neue Fragen ein. Sie wünschte zu wissen, was Covenant seine innere Festigkeit verliehen hatte. Wodurch war er verändert worden? Wo hatte er eine Antwort gefunden, die bedeutsam genug war, um ihn gegen die Armut seines Daseins zu immunisieren? Und was war nun vor kurzem geschehen, so daß er seinen Halt wieder verloren hatte?
    »Seitdem hat er noch sieben Romane veröffentlicht«, erzählte Berenford weiter, »und die sind's, woran man wirklich den Unterschied erkennen kann. Oh, er hat einmal drei oder vier andere Manuskripte erwähnt, aber darüber weiß ich nichts genaues. Der Punkt, um den's mir geht, ist der, daß man nicht glauben würde, daß sein Bestseller und die sieben später geschriebenen Bücher von demselben Mann stammen, wüßte man es nicht. In bezug auf sein erstes Buch hat er durchaus recht. Plattes Geschreibsel ... oberflächliche Melodramatik. Aber die anderen ... Falls Sie die Gelegenheit finden, Oder meine Seele gegen Schuld zu tauschen zu lesen, werden Sie feststellen, daß er dahingehend argumentiert, Unschuld sei eine wunderbare Sache, nur wäre sie machtlos. Schuld ist Macht, sagt er. Alle tatkräftigen Menschen sind ihm zufolge schuldig, weil der Gebrauch von Macht zur Schuld führt, und ausschließlich Schuldige können wirksam handeln. Wirksam zum Guten , bitte ich zu beachten. Nur die Verdammten können erlöst werden.«
    Linden wand sich an ihrem Platz. Sie verstand zumindest eine Art von Beziehung zwischen Schuld und Leistungsfähigkeit. Sie hatte Mord begangen, und sie war Ärztin geworden, weil sie Mord begangen hatte. Sie wußte, daß der Drang, ihre Schuld zu tilgen, Menschen wie sie zur Machtausübung trieb. Doch hatte sie nichts gefunden – weder Linderung noch Genugtuung –, das zu bestätigen imstande gewesen wäre, daß Verdammte erlöst werden konnten. Es mochte sein, daß Dr. Berenford von Covenant irregeführt worden war; vielleicht war er verrückt, ein Irrer, der eine raffinierte Maskierung der Normalität trug. Oder womöglich kannte er etwas, von dem sie nichts wußte.
    Irgend etwas, dessen sie bedurfte.
    Dieser Gedanke erzeugte in ihr eine Aufwallung von Furcht. Auf einmal war sie sich überdeutlich der angebrochenen Nacht bewußt, der Streben in der Lehne des Schaukelstuhls, die ihren Rücken drückten, der Grillen. Es verlangte sie danach, sich dem Erfordernis, Covenant wiederzubegegnen, zu entziehen. Mögliche Gefahren schienen die Finsternis zu erfüllen. Aber sie mußte die Art der Bedrohung wenigstens verstehen können. Als Dr. Berenford schwieg, erduldete sie die Stille, solange sie dazu in der Lage blieb, dann wiederholte sie ihre anfängliche Frage.
    »Wer ist die Frau?«
    Der Chefarzt ließ einen Seufzlaut vernehmen. Sein Schaukelstuhl gab Anzeichen von Erregung an die Luft weiter. Aber

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