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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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steif und wie steinern in seiner insgeheimen Pein. Sunder runzelte argwöhnisch die Stirn; Hollian kaute auf ihrer Unterlippe. Doch sie gingen den Riesen zusammen nach, an ihren Seiten Stell und Harn. Und Covenant ließ sich mitziehen wie jemand, dessen Geist längst keinen eigenen Willen mehr kannte. Während sie zu den Bäumen hinunterstiegen, fing Pechnase zu singen an. Seine Stimme war heiser, als hätte er zuviel Zeit seines Lebens damit zugebracht, Klagelieder zu singen; doch sein Gesang erhob das Herz wie Posaunenschall. Die Melodie war voller Wind und Wellen, Salz und Strapazen, voll vom Triumph über jeden Schmerz. Er sang so klar wie der neue Tag.
     
    »Mögen Brecher an die Küste donnern,
    Kliffs bekränzt sein mit Gischt und Tang,
    Mag der Sturm die Klippen ausmeißeln,
    Mag Flaute die Fluten stillen
    Oder Wind die Wellen aufschrecken und brausen,
    und brausen –
    Nichts stört das Gleichmaß von See und Stein.
    Die Felsen und Deiche der Heimat bestehen.
    Wir sind die Riesen,
    Geboren zum Leben,
    Und folgen kühn, wohin unsere Träume schweifen.
    Mag die Welt weiter sein, als Glaube reicht,
    Das Meer so endlos wie die Zeit,
    Mögen Reisen enden oder scheitern,
    Segler in Eis oder Unwetter bersten,
    Soll Irrfahrt auf immer währen, wie Seefahrt,
    wie Seefahrt –
    Nichts anficht das Gleichmaß von See und Stein.
    Die Herde und Häfen der Heimat bestehen.
    Wir sind die Riesen,
    Geboren zum Segeln,
    Und folgen kühn, wohin unsere Träume schweifen.«
     
    Immer weiter erscholl sein Lied, klang durch die Bäume und die feurigen Farben des Laubs, das zu fallen begonnen hatte, sprach von Härten, Sehnsucht und von der Bereitwilligkeit, jede Geschichte anzuhören, die die Welt zu erzählen hatte. Es drängte die Gefährten vorwärts, erhellte Seeträumers Blick; es linderte das Unbehagen der Steinhausener wie eine Ermutigung gegen all das Unbekannte, das vor ihnen lag, verlieh sogar den gleichgültigen Schritten der Haruchai etwas Federndes. In Covenants Bewußtsein hallte es wie die aneinandergereihte Herrlichkeit der Bäume, beschwichtigte für einige Zeit sein trostloses Herz, so daß er den Landstrich, der Schaumfolgers Heimat gewesen war, durchqueren konnte, ohne zu wanken.
    Zu lange hatte er sich unter dem Sonnenübel aufgehalten, zu lange nichts von dem Land gesehen, an das er sich entsann. Seine Augen tranken geradezu vom Anblick der Bäume und Weiden, von den Bildern und Ausblicken der Landschaft, als bereiteten diese Dinge in ihm einem eingefleischten Durst ein Ende, stellten seine Kräfte für die Zwecke seiner Expedition wieder her. Hinter den Hügeln verwandelte sich die Wasserkante in ein üppiges Gewucher von Rankengewächsen, ähnelte einem jahrhundertelang verwilderten Weingarten; es wimmelte darin von Vögeln, allerlei Getier hatte dort seine Bauten und Nester. Hätte ihm nicht Lindens Wahrnehmungsvermögen gefehlt, er würde hier Tage damit verbracht haben, bloß sein Gespür fürs Gesunde wiederzubeleben.
    Aber er war dazu verdammt, nur die Oberfläche all dessen, was er sah, betrachten zu können. Während sich vor ihm Kilometer um Kilometer enthüllte – bis zur Küste mußten es noch sechzig oder mehr Längen sein –, machte sich erneut sein vorheriger innerer Drang bemerkbar. Hinter seinem Rücken mußten für jeden Tag seines Umherreisens Menschen sterben. Aber er vermochte nicht schneller zu gehen. In seinem Innern braute sich eine Krise zusammen. Macht; Gift; Zorn. Die Unmöglichkeit, mit der wilden Magie zu leben. Die Unmöglichkeit, ohne sie auszukommen. Es war unmöglich, all die Versprechen zu halten, die er gegeben hatte. Er wußte keine Lösung. Er war so hinfällig wie jeder Leprotiker. Seine Erregung war sinnlos. Darauf aus, den Zeitpunkt hinauszuzögern, an dem die Krise ausbrach, das Gewitter, erzeugt von Gift und Zweifeln, zum Ausbruch kam, suchte er nach irgend etwas, das ihn ablenken konnte.
    Linden war vollauf davon beansprucht, sich von den Grausamkeiten zu erholen, die das Sonnenübel und die Sarangrave-Senke ihr angetan hatten. Sunder und Hollian zeichneten sich durch gemeinsames Mißbehagen aus, als wüßten sie nicht mehr, was sie eigentlich taten. Also griff Covenant auf die Riesen zurück, auf Pechnase, der so redselig war wie die Erste ernst.
    Seine mißgestalteten Gesichtszüge bewegten sich auf groteske Weise, wenn er sprach; doch sein hellwacher Blick und sein ununterdrückbarer Humor bildeten zu seiner äußeren Erscheinung einen bemerkenswerten

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