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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Erste bedächtig, »derlei Geschichten entfalten sich, indem man sie erzählt. Eine unerzählte Geschichte läßt das Herz verwelken. Doch geht's mir nicht darum, dein Herz zu erleichtern. Ich frage um meiner selbst willen nach deiner Geschichte. Sie betrifft mein Volk. Und ich bin die Erste der Sucher. Du hast von dem Sonnenübel gesprochen, das die Erde mit solchem Entsetzen heimsucht. Ihm gilt meine Pflicht. Das Übel liegt im Westen. Seeträumers Erd-Sicht ist eindeutig. Wir müssen selbiges Übel aufspüren und bekämpfen. Doch du verlangst unseren Beistand. Du forderst die Verwendung unserer stolzen Dromond Sternfahrers Schatz. Du versicherst, dein Weg sei der wahre Weg der Sucher. Dennoch weigerst du dich, uns von den Riesen zu berichten, die hierzulande gelebt haben. Thomas Covenant, ich muß deine Geschichte vernehmen, weil mir eine Entscheidung obliegt. Nur in Geschichten findet man die Wahrheit, die den rechten Weg weist. Ohne das Wissen, das dein Herz bewegt, ermangelt's mir an den Mitteln, um über deinen Weg und deine Wünsche zu befinden. Du mußt sprechen.«
    Ich muß? In seiner emotionalen Verarmung hätte Covenant am liebsten aufgeschrien. Ihr wißt nicht, was ihr mir zumutet! Aber die Riesen betrachteten ihn aus Augen, die fragten und forschten. Blankehans' Ähnlichkeit mit Schaumfolger wirkte, als wäre diese entfernte Vorfahrenschaft eine Auszeichnung. Seeträumers Blick war übervoll von Erd-Sicht. Mitgefühl machte Pechnases Lächeln vielschichtig. Inwendig stöhnte Covenant. »Diese Hügel ...« Er deutete ostwärts, bewegte seine Halbhand wie jemand, der die einzigen Worte pflückte, die sich finden ließen. »Sie sind die westliche Grenze der Wasserkante. Dort haben die Riesen früher gewohnt. Sie hatten am Meer eine Stadt gebaut. Coercri . Herzeleid. Dorthin will ich.« Die Erste antwortete nicht, zuckte mit keiner Wimper. Covenant ballte Fäuste und rang darum, nicht an Ort und Stelle zu zerbrechen. »Sie sind dort ermordet worden.«
    Blankehans' Augen funkelten auf. Pechnases Atem fauchte durch seine Zähne. »In ihren Wohnungen?«
    »Ja.«
    Die Erste der Sucher starrte Covenant an. Er erwiderte ihren Blick, sah Bestürzung, Zweifel und Strafgericht hinter ihren Augen branden wie Schatten einer Flut. Trotz seiner Furcht fühlte er sich seltsam sicher, daß ihr Zorn ihm zu dem verhelfen würde, was er nötig hatte. »Blankehans wird zur Dromond Sternfahrers Schatz zurückkehren«, sagte sie in einem Ton, als klänge ruhendes Eisen. »Er wird das Schiff nach Norden leiten. Wir werden uns in diesem Coercri wiedertreffen. So treffe ich Anstalten, um deinen Bestrebungen gerecht zu werden – falls deine Geschichte mich zu überzeugen vermag. Und auch den anderen Suchern wird daran gelegen sein, in diesem entlegenen Land eine einstige Stadt von Riesen zu schauen. Thomas Covenant, ich werde warten. Wir werden dich zur Wasserkante begleiten. Aber ...« – ihre Stimme warnte ihn, als wäre sie ein Schwert in ihrer Hand – »ich muß diese Geschichte des Mordens vernehmen.«
    Covenant nickte. Er verschränkte die Arme auf den Knien, verbarg das Gesicht zwischen den Ellbogen; er wollte mit seinem sinnlosen Bedauern allein sein. Du wirst sie hören. Hab Erbarmen mit mir. Ohne ein Wort begann Blankehans zu packen, was er an Proviant mitzunehmen gedachte. Bald darauf zog er los, strebte zügig in die Richtung zum Meer, als könnten seine Riesengliedmaßen in alle Ewigkeit ohne Rast auskommen. Die Geräusche von Blankehans' Aufbruch schienen Covenants Erschöpfung irgendwie zu dehnen, bis sie alles zudeckte. Covenant bettete sich zur Ruhe, als hoffe er, er werde nie wieder aufwachen.
    Doch unterm hellen Schein des Mondes kehrte er aus seinen Träumen zurück. Im Licht der letzten Flämmchen des Lagerfeuers sah er die Riesen und die Steinhausener im Schlummer liegen. Schwach erkannte er die schattenhaften, allzeit bereiten Gestalten der Haruchai . Hohl stand am Rande des Helligkeitskreises und starrte ins Nichts wie ein entrückter Prophet. Ein rotorangener Widerschein in Lindens Augen zeigte, daß sie wach war wie Covenant. Er verließ seine Decken. Sein Wunsch, in den Schlaf zu fliehen, war stark, aber noch stärker war sein Verlangen, mit Linden zu reden. Still begab er sich an ihre Seite. Sie empfing ihn mit einem Nicken, sagte jedoch nichts. Als er neben ihr Platz nahm, starrte sie unverändert nur in die Glut der Feuerstelle. Er wußte nicht, wie er sie ansprechen sollte; ihm fiel nichts ein,

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