Das verwunschene Haus
ermordet zu haben und will ihm auch noch die übrigen Verbrechen in die Schuhe schieben.
Und jetzt entspinnt sich zwischen dem jungen Mann mit dem Totenkopf und jenem, der bereits einmal des Mordes beschuldigt worden ist, ein dramatischer Dialog.
»Als Sie mich damals in der Kanzlei meines Anwalts aufsuchten, haben Sie zugegeben, daß Sie der Täter waren«, attackiert ihn Alan Murdoch.
»Das ist nicht wahr!«
»Sie haben sogar noch gesagt, daß Sie Ihre Tat bereuen.«
»Das ist nicht wahr!«
»Und Sie haben hinzugefügt: >Ich werde es wieder tun müssen<«
»Das ist eine schändliche Lüge!«
Doch Murdochs Taktik konnte die Geschworenen nicht täuschen. Er wurde zum Tode verurteilt und am 11. Juli 1958 gehängt, ohne jemals eine weitere Erklärung für seine Verbrechen gegeben zu haben.
Er nahm sein Geheimnis mit sich und ging in die Kriminalgeschichte als »der Mörder mit dem Totenkopf« ein.
Ein einfacher Telefonanruf
Mai 1936. Joseph Martin lebt zusammen mit seiner Frau Emilie und der zehnjährigen Tochter Juliette auf einem Bauerngut in einem kleinen Dorf an der französisch-schweizerischen Grenze.
Joseph hat zwei Brüder, den älteren Pierre und den jüngeren Michel. Die beiden leben nach wie vor bei den alten Eltern und bewirtschaften gemeinsam mit den anderen die Farm. Alles geht seinen gewohnten Gang, bis Joseph in der Nacht des 10. Mai jenes Jahres mit unerträglichen Bauchschmerzen erwacht. Da es sich um die rechte Seite handelt, ist es sicher der Blinddarm. Es muß also rasch etwas geschehen. Emilie versucht, einen Arzt aufzutreiben, was jedoch mitten auf dem Lande und zu der Zeit nicht ganz einfach ist.
Der Doktor trifft erst am Morgen ein und diagnostiziert sofort eine schwere Blinddarmentzündung. Joseph wird daher im Krankenwagen nach Genf gebracht, der nächstgelegenen größeren Stadt, wo er auf der Stelle operiert werden soll. Der Arzt hat Emilie gegenüber aus seiner Besorgnis kein Hehl gemacht. Selbst wenn bei der Operation alles gut geht, wird Joseph erst nach Ablauf von weiteren acht Tagen wirklich außer Gefahr sein. Solange darf er keinerlei Besuch empfangen.
Die Operation verläuft problemlos, doch während der folgenden acht Tage muß Emilie nach wie vor um ihn bangen. Am achten Tag begibt sie sich nach Genf in die Klinik Beauséjour, wo man ihr jetzt endlich gestattet, ihren Mann zu sehen. Es geht ihm sehr viel besser. Das Fieber ist gefallen, was ein gutes Zeichen ist. Die Ärzte machen natürlich noch gewisse Einschränkungen, doch angesichts der robusten
Konstitution des Patienten gibt es allen Grund zu Optimismus. Außerdem ist Joseph selbst durchaus zuversichtlich. Er bittet Emilie, die übrigen Familienangehörigen zu beruhigen, denn er ist sicher, daß er das Ganze gut überstehen wird. Voller Vertrauen in die Zukunft kehrt Emilie nach Hause zurück. Als sie sich abends zu Bett legt, kann sie zum ersten Mal seit einer Woche wieder richtig schlafen.
Aber ihr Schlaf wird jäh unterbrochen. Mitten in der Nacht klopft jemand heftig an die Haustür. Als sie davon erwacht, glaubt sie zunächst, das nur geträumt zu haben. Dann jedoch wird erneut geklopft und diesmal noch lauter.
Zum Glück ist Emilie eine vorsichtige Natur. Da sie nach Josephs Abtransport in die Klinik nicht allein bleiben wollte, hatte sie ihren jüngeren Schwager Michel gebeten, im Zimmer nebenan zu schlafen. In einem so entlegenen Bauernhaus muß unbedingt ein Mann anwesend sein.
Michel ist ein kräftiger, athletisch gebauter Bursche, wie es im Dorf keinen zweiten gibt. Schon ist er bei ihr. Er hat das Klopfen ebenfalls gehört und hält jetzt einen dicken Knüppel in der Hand.
»Wir müssen nachsehen, Emilie. Vielleicht ist es etwas Ernstes. Sei unbesorgt, es kann nichts passieren!«
Emilie geht die Treppe hinunter. Sie blickt aus dem Fenster und sieht vor dem Haus einen Wagen mit aufgedrehten Scheinwerfern stehen. Was hat das zu bedeuten?
Sie dreht sich zu ihrem Schwager um, und als sie sich erneut vergewissert hat, daß er sie notfalls verteidigen kann, öffnet sie die Tür.
Ein Mann in städtischer Kleidung, mit Anzug und Krawatte, steht draußen.
»Sind Sie die Frau von Joseph Martin?«
»Ja, die bin ich.«
»Ich bin Taxifahrer und komme aus Genf. Es tut mir leid, Madame, aber es geht um Ihren Mann.«
Emilie erwidert nichts. Sie verspürt nur noch eine große innere Leere.
»Die Klinik hat mich telefonisch verständigt. Sein Zustand hat sich sehr verschlechtert, und er möchte Sie
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