Das verwunschene Haus
dessen Stimme sehr sanft, ja, fast weibisch klingt, beginnt: »Ich habe Ihnen einige sehr wichtige Dinge zu sagen, Mr. Jones. Ich kenne den Mörder.« Herbert Jones springt von seinem Stuhl hoch.
»Wer ist es? Sagen Sie mir seinen Namen!«
Ein Lächeln erscheint auf den fast fleischlosen Lippen des jungen Mannes.
»Ich kann nicht. Ich habe es versprochen. Aber ich bin in der Lage, Ihnen zu beweisen, daß ich nicht lüge. Besagte Person hat mir einige Details verraten. Zum Beispiel waren die Vorhänge im Zimmer Ihrer Tochter rot. In der Mordnacht stand auf ihrem Nachttisch ein Photo, das Ihre Tochter, Sie selbst und Ihre Frau im Badeanzug an einem Strand zeigt. Das Zimmer Ihrer Frau ist ganz in Blau tapeziert. Auf einer Kommode lag ein Nagelnecessaire aus Schildpatt...«
Herbert Jones weicht vor dem anderen zurück, als sei dieser ein gefährliches Tier, eine giftige Schlange.
»Das ist doch nicht möglich! Sie sind selbst dort gewesen! Sie selbst haben es getan!«
Der junge Mann lächelt nach wie vor.
»Aber nein, es handelt sich um eine Person, die ich kenne. Ich sage Ihnen das alles, um Ihnen zu helfen. Damit Sie sich wehren können, falls man Sie erneut beschuldigt.«
Doch Mister Jones hört ihm schon nicht mehr zu. Er stürzt davon und begibt sich auf schnellstem Wege ins Büro von Inspektor Mac Bird.
»Ich weiß jetzt, wer es getan hat. Ich bin ihm soeben begegnet. Er heißt Alan Murdoch.«
Doch der Beamte zeigt keinerlei Regung. Ruhig erwidert er: »Er war es nicht.«
Herbert Jones bleibt fast der Atem stehen.
»Soll das heißen, daß Sie ihn kennen?«
»Selbstverständlich. Er ist ein Gauner aus Glasgow. Wir haben ihn als einen der ersten in der Sache verhört, aber wir haben rasch gemerkt, daß nichts dahinter ist.«
Umsonst wiederholt Jones gegenüber dem Inspektor, was der junge Mann ihm alles erzählt hat. Mac Bird läßt sich nicht beeindrucken. Als Jones am Ende die Argumente ausgehen, stößt er verzweifelt hervor: »Aber worauf warten Sie denn eigentlich noch? Daß er einen weiteren Mord verübt?«
Mac Bird antwortet nichts. Und ein ganzes Jahr vergeht, ohne daß sich an der Situation etwas ändert.
Am 28. Dezember 1957 nimmt die junge Patricia Wilson den Bus, um sich zu einem Ball zu begeben, wo sie ihren Verlobten treffen will. Als ihre Eltern am anderen Morgen entdecken, daß sie nicht nach Hause gekommen ist, machen sie sich Sorgen und gehen zur Polizei. Die Beamten stoßen bei ihren Nachforschungen auf einige sehr alarmierende Details. Von der Stelle aus, wo das junge Mädchen auf den Bus gewartet hatte, bis zu einem nahegelegenen Wäldchen führt eine Spur, die leicht zu verfolgen ist: In unregelmäßigen Abständen liegen verschiedene persönliche Gegenstände auf dem Boden, wie etwa ein Lippenstift, ein Taschentuch oder ein Schuh. Patricia Wilson selbst jedoch bleibt unauffindbar. Am Tag danach kommt ein sehr aufgeregter Mann in Inspektor Mac Birds Büro, um eine Aussage zu machen.
»Gestern nacht ist bei uns etwas sehr Seltsames passiert, Herr Inspektor! Meine Frau und ich saßen im Wohnzimmer, und es war ungefähr elf Uhr. Da sahen wir plötzlich ein ganz, weißes Gesicht an der Fensterscheibe... Es war einfach schrecklich! Noch nie zuvor habe ich etwas Derartiges gesehen. Man hätte meinen können, daß es sich um einen Totenkopf handelte! Dieses Gesicht verfolgte jede unserer Bewegungen, doch zum Glück war meine Frau sehr geistesgegenwärtig. Sie hat mir zugerufen: >George, hol das Gewehr!< Und ich habe geantwortet: >Ja, ich hole es sofort.< Dabei haben wir noch nie ein Gewehr besessen. Aber auf der Stelle war das Gesicht hinter der Scheibe wieder verschwunden.« Der Inspektor will diese Aussage zu Protokoll nehmen, doch der Mann ist noch nicht fertig.
»Das ist noch nicht alles, Herr Inspektor«, fährt er fort. »In dem Haus uns gegenüber wohnt eine Familie Smith, und dort haben wir auch etwas Seltsames bemerkt. Die Rolläden sind nämlich noch immer unten, obwohl unsere Nachbarn sonst sehr früh aufstehen. Vielleicht sind sie ja verreist, aber nach dem Erlebnis heute nacht wollte ich Sie lieber verständigen.« Eine Viertelstunde später ist Mac Bird am Schauplatz, und sofort hat er eine schlimme Vorahnung. Der beschädigte Rolladen und die eingeschlagene Fensterscheibe rufen unangenehme Erinnerungen in ihm wach. Der Täter ist durch die Küche ins Haus eingedrungen, und genau dort wird die Vorahnung zur Gewißheit, als er die geöffneten Konservendosen sieht und die
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