Das verwunschene Haus
viel tragischer ausgehen wird...
Die Polizei trifft auf dem Bauernhof ein und beginnt mit ersten Ermittlungen. Nachdem er die Fensterläden eingeschlagen hatte, war der Dieb sofort ins Schlafzimmer des Ehepaars Martin gegangen. Dort brach er die Wäschetruhe auf. Er nahm sämtliche Ersparnisse mit und zwar sowohl Bargeld in Höhe von dreitausend Francs als auch diverse Wertpapiere, die sich insgesamt auf fünfzehntausend Francs beliefen. Da der Dieb nichts anderes angerührt hat, beweist das nach Meinung der Polizei, daß er die Räumlichkeiten kannte. Dennoch führt die erste Zeugenaussage in eine andere Richtung. Gleich am Morgen sucht Michel Martin die Beamten auf. Wie Emilie richtig vermutet hatte, war dieser sofort nach der Abfahrt des Taxis zu seinen Eltern hinübergegangen.
Als Michel das Haus von Joseph und Emilie verließ, bemerkte er einen Wagen. Dieser Wagen war ihm sogar einen Moment lang gefolgt, als habe der Fahrer sich vergewissern wollen, daß Michel sich tatsächlich zu den Eltern begab. Dann drehte der Wagen um. Michel ist überzeugt, das Fahrzeug erkannt zu haben. Es gehört dem Tierarzt, Monsieur Montois.
Diese Zeugenaussage interessiert die Polizei jedoch nicht besonders, oder genauer gesagt, sie gefällt ihr nicht. Monsieur Montois ist nämlich in der Gegend eine ebenso angesehene wie wichtige Persönlichkeit, und jeder weiß, daß er über beste politische Beziehungen verfugt. Wer Montois als Verdächtigen verhört, riskiert seine Karriere, sofern dieser nicht tatsächlich schuldig ist.
Darüber hinaus ist Michel Martins Behauptung nicht sehr glaubwürdig. Zunächst einmal hat er sich sehr leicht irren können. Wie will er sicher sein, in dieser ungewöhnlich dunklen Nacht ein Auto genau erkannt zu haben? Und vor allem stellt sich die Frage, weshalb ausgerechnet ein so angesehener und wohlhabender Mann wie Montois einen Bauernhof bestehlen sollte. Das Ganze ergibt keinen Sinn.
Die Polizei verfolgt diese Fährte daher nicht weiter und kehrt zu ihrer ursprünglichen Vermutung zurück, daß es jemand aus der unmittelbaren Umgebung der Familie Martin sein muß, vielleicht sogar ein Familienmitglied selbst.
Im Dorf kursiert bereits ein Gerücht. Angeblich hat Pierre Martin, Josephs älterer Bruder, den Diebstahl begangen. Er ist so etwas wie das Familienoberhaupt, da der Vater schon sehr alt ist. Falls sein Bruder Joseph gestorben wäre, hätte es sicher Streitigkeiten mit seiner Schwägerin gegeben. So hat er es womöglich vorgezogen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und sich des Geldes zu bemächtigen.
Ein Bankier in Nyon macht bald darauf der Polizei Mitteilung, daß ein elegant gekleideter Unbekannter versucht habe, Wertpapiere bei ihm einzulösen, bei denen es sich um jene der Familie Martin handeln könne. Leider jedoch nimmt die Polizei diesen Hinweis ebensowenig ernst wie die Dorfbewohner. Und so beginnt der Leidensweg des unglücklichen Pierre.
Überall im Dorf geht man ihm aus dem Weg, ob in den Geschäften oder im Café. Alle Türen werden ihm verschlossen. Man tuschelt, und sobald er auftaucht, schweigt man plötzlich, um erneut zu tuscheln, kaum daß er sich entfernt hat.
Jene Dorfbewohner, die von der Polizei verhört worden sind, machen drohende Gebärden hinter seinem Rücken, wie um ihm zu zeigen: Es ist deine Schuld, wenn andere Unannehmlichkeiten haben. Wann legst du endlich ein Geständnis ab? Pierre Martin hält dem Druck schließlich nicht länger stand. Er ist im Krieg schwer verwundet worden, und seine Gesundheit ist angegriffen. Am 29. Mai erklärt er seinem Vater, er werde sich umbringen, falls die Gendarmen ihn noch einmal verhören würden.
Die Gendarmen kommen tatsächlich wieder, um ihn zu verhören, und am 30. Mai findet man seinen Leichnam mit gekreuzten Armen auf einer Hochspannungsleitung hängend. Der Telefonanruf hat ihn am Ende das Leben gekostet. Dennoch ist jetzt jeder von seiner Schuld überzeugt, und sein Selbstmord wird allgemein als Geständnis gewertet. Am Tag der Beerdigung schreibt eine Lokalzeitung: »Die Familie Martin sollte endlich zugeben, daß er schuldig war und daß sie nach wie vor im Besitz der Wertpapiere ist...«
Der Fall wird zu den Akten gelegt und vergessen. Erst im finsteren Kriegsjahr 1942 muß sich die Polizei erneut damit befassen.
Als ein Mann versucht, bei einer Bank in der Region die Wertpapiere einzutauschen, wird der wahre Täter überführt. Er hatte geglaubt, daß nach sechs Jahren inmitten der
Weitere Kostenlose Bücher