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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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dasselbe.«
    »Dann bleibt uns nichts anderes übrig«, brummte Nottr missmutig, den die Aussicht auf eine beschwerliche Wanderung keineswegs freute, »als ihn zu verfolgen. Und die vielen Tausende seiner Tiere.«
    »Richtig. Damit fangen wir genau jetzt an«, entschied Mythor .
    Rund fünf Bogenschüsse weit waren sie von dem breiten Strom der Tiere entfernt. Der Zug war zu Ende, als sich Mythor und seine Freunde auf die unübersehbare Spur setzten. Hester und seine Tiere bewegten sich unerwartet schnell.
    Zwei große Katzen beschlossen die Versammlung der schweigenden Tiere. Sichernd drehten sie ihre Köpfe nach allen Seiten. Falls sie Mythor und seine Gruppe sahen, schienen sie ihn nicht als Gefahr für Hester anzusehen. Die Wanderer hatten noch keine Mühe, den Tieren zu folgen.
    Es war ein einmaliger Anblick. Der Zug der Tiere war schätzungsweise hundert Mannsgrößen lang und vier Mannsgrößen breit. Die Rücken der meisten Tiere waren dunkel, und so sah es aus, als bewege sich ein schwarzes Band über die Äcker, Felder, die Hügel und die schmalen, erstarrten Wasserläufe.
    Der freie Kreis inmitten der Tiere wanderte sozusagen mit. Er veränderte seinen Durchmesser niemals. Mit knappen, herrischen Gesten jagte Hester einen Hund in jene Richtung, ließ von den großen Katzen ein Gebüsch durchsuchen, schien mit den kleineren Vögeln zu sprechen, die ab und zu sein Gesicht umschwirrten.
    Vielleicht, dachte Mythor, der nicht wusste, was er davon zu halten hatte, vielleicht hat Hester auch etwas mit den drei Fabeltieren zu tun.
    Dann nämlich war er Mythors Feind. Oder zumindest sein Konkurrent. Mit Hilfe der Tiere konnte er Mythor mühelos ausschalten. Trotzdem folgten ihm Mythor und seine Freunde.
    *
    Am späten Nachmittag lösten sich plötzlich einige Dutzend Vögel aus den Hauptschwärmen. Sie zeigten Zielstrebigkeit, aber keine sinnlose Eile. Sie stiegen hoch und flatterten dann auf Mythor und seine Freunde zu. Jetzt saßen sie auf einem modernden Baumstamm und aßen von ihren Vorräten.
    »Da! Vögel«, sagte Nottr unwillig. Die Narbe über seinen Lippen hob sich deutlich ab.
    »Ich sehe sie«, gab Mythor zurück. »Lass den Bogen, Nottr!«
    Die Vögel schwirrten hin und her, näherten sich der Gruppe und umflogen sie von allen Seiten. Sie stiegen hoch und fielen wieder; einige setzten sich auf Zweige in der Nähe und hielten die Köpfe schief. Aus kleinen schwarzen Augen beobachteten sie lautlos und scharf die vier Personen in ihren schweren Pelzen.
    Einer der größeren Vögel flog davon und kam nicht mehr zurück, zwei andere folgten. Dann näherte sich langsam einer der Geier und flog in vier, fünf Mannshöhen Entfernung dicht über dem Boden um die Wanderer herum und strich dann flügelrauschend ab.
    »Sie beobachten uns!« flüsterte Kalathee und drängte sich in Mythors Nähe.
    »Hester lässt uns beobachten«, erklärte Mythor. »Er hat also bemerkt, dass wir ihm folgen.«
    »Er wird denken, dass wir ihn verfolgen.«
    »Wenn seine Späher ihm berichten, dass wir hier gemütlich Bratenstücke verzehren, wird er erkennen, dass wir den gleichen Weg zu haben scheinen. Mehr nicht«, stellte Mythor richtig. Aber trotzdem ließ er kein Auge von den Vögeln, die jetzt ihre Plätze verließen und zurückflogen.
    Während sie Mythor beobachtet hatten, waren Hester und seine seltsamen Verbündeten ohne Aufenthalt weitergewandert, und dies in unverändert schnellem Tempo. Der letzte Vogel, ein großes Exemplar mit schwarzem, glänzendem Gefieder, spreizte seine Flügel und flatterte auf.
    »Jetzt entscheidet es sich!« sagte Nottr. »Er weiß über uns alles.«
    »Vielleicht sagen ihm die Vögel, wer wir sind. Er hat uns häufig gesehen, als wir im Schloss wohnten«, sagte die junge
    Frau halblaut.
    »Auch das ist möglich«, antwortete Mythor. »Alles ist möglich, wenn Magie im Spiel ist.«
    Was immer die Vögel dem seltsamen Herrscher der Tiere von Mythor berichtet hatten, Hester ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Der breite Strom seines tierischen Heeres wanderte mit ihm weiter und verschwand in der graugrünen Dunkelheit des nächsten Waldes.
    *
    Bis zum Sonnenuntergang folgten Mythor und seine Freunde den Tieren. In der Nacht rasteten sie kurz, und als es genügend Mondlicht gab, gingen sie langsam weiter. Die Spur war deutlich, der Weg war nicht zu verfehlen.
    »Was wir in der Nacht nicht schaffen, holen wir morgen auf«, meinte Mythor.
    »Wie lange werden wir ihm wohl folgen müssen?«

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