Das verwunschene Tal
Dinge enthüllte.
An der Rückwand des Raumes befand sich eine wuchtige Konstruktion aus verschiedenfarbigem Stein. Es war ein riesiges Gesicht, das den drei wortlos staunenden Betrachtern entgegenstarrte. Ein Gesicht in Ruhe, keine dämonische Fratze, aber ein Antlitz, das gleichzeitig Arroganz, Bösartigkeit und Drohung ausstrahlte. Über der Darstellung der Haut lag wie über den Gesichtern der Dämonenpriester eine glasklare Schicht, und die riesigen Augen ließen die Blicke der Fremden ins schwarze, unergründliche Nichts fallen.
Steinmann Sadagar stöhnte auf und flüsterte: »Der Lord des Hasses!«
Mythor schaute ihn von der Seite an und fragte unsicher: »Wer soll das sein, Sadagar?«
Das Riesengesicht war drei Mannslängen groß und eigentümlich gedrungen. Der Hals bildete einen Säulenstumpf und wuchs nahtlos aus dem Boden auf. Statt der Augäpfel waren in den steinernen Wölbungen Löcher. Die Mundwinkel zeigten nach unten; es war, als schenke der Kopf dem Beschauer nichts mehr als ein verächtliches Grinsen. Es war selbst in dieser unerschütterlichen Ruhe ein grausames, gnadenloses Gesicht. Alle Fugen des Mauerwerks liefen vom Eingang her auf dieses Gesicht zu. Die Wand, aus dem der Kopf mit dem schulterlangen pechschwarzen Basalthaar hervorwuchs und sich dem Eingang entgegenreckte, glänzte wie erstarrte Lava.
»Fahrna hat mir aus dem EMPIR NILLUMEN vorgelesen. Oder aus einem anderen Text. Sie fing zu zittern an, wenn sie vom >Lord des Hasses< sprach. Er muss genauso ausgesehen haben«, sagte Steinmann Sadagar, und deutliche Beklemmung lag in seiner Stimme.
Langsam ging Mythor näher an das kantige Kinn heran, das in Brusthöhe hervorstach. Die verschiedenfarbigen Steine waren hervorragend bearbeitet. Mythor sah die Poren in der Haut, die Falten und die Kerben in den zusammen gepressten Lippen. Er vermochte nicht, irgendeine Bedeutung in diesem Bildnis zu erkennen.
»Was hat ein Kopf von dieser Art ausgerechnet hier zu suchen?« fragte er sich halblaut und betrachtete den Koloss von beiden Seiten.
Schweigend und rätselhaft stand das Gesicht da, mit scharf herausgearbeiteten Haaren und Ohren, und als Mythor wieder zurückging und in die Höhlungen der Augen starrte, glaubte er, dasselbe Gefühl zu empfinden wie damals, als er in Feithearns und Aerinnens Augen gesehen hatte: einen Vorstoß zum Ursprung alles Bösen und Verderbenbringenden.
Er schüttelte sich und winkte seinen Freunden. »Suchen wir weiter. Der Koloss wird uns nichts sagen.«
Schweigend schlossen sich Nottr, Sadagar und Kalathee an.
Zwischen den Säulen suchten sie weiter. Nach einigen Schritten auf einem höher gelegenen Absatz erkannten sie im Staub und Schutt die Spuren von Hester und vielen Tieren. Sie führten zwischen einzelnen Trümmern hindurch und auf einen kantig vorspringenden Eingang zu.
»Vielleicht findest du noch ein viertes Tier!« versuchte Nottr zu scherzen. Kalathee sagte nichts, sie schien noch immer unter dem Eindruck des schrecklichen Gesichts zu stehen.
Mythor antwortete nicht. Offensichtlich hatte auch Hester nicht genau gewusst, wo er suchen musste. Die Spuren führten auch wieder aus dem Raum hinaus, der hinter dem wuchtigen Eingang lag. Mythor zog langsam sein Schwert und trat aus dem Sonnenlicht in die halbe Dämmerung des Raumes hinein.
Es war eine große Halle. Durch Risse und eckige Löcher der Decke fielen Strahlenbündel ein, in denen der Staub flimmerte. An jeder Wand, an Dutzenden von Säulen, von der Decke und vom Boden sprangen Masken und Fratzen dem Eintretenden entgegen. Hunderte von steinernen, hölzernen und metallenen Masken und solche, die aus zwei dieser Materialien oder aus allen dreien bestanden.
»Hat das EMPIR NILLUMEN auch für diese Fratzen und Gesichter eine Erklärung?« fragte Mythor laut. Seine Worte hallten in dem Raum wider.
Die halben oder ganzen, teilweise wie zerrissen wirkenden Masken schienen zu leben. Lichtreflexe tanzten durch den Raum und huschten über die Augen, die Wangen und die Stirnen dieser Kunstwerke. Es gab alle Größen; einige waren nur handgroß, andere maßen drei Ellen, wieder andere waren eine Elle groß. Sie lachten, weinten und waren ernst, einige Gesichter zeigten tragische Züge, andere wieder schienen in sich versunken, wieder andere trugen einen undeutbaren Ausdruck zur Schau. Es war verwirrend; als ob Hunderte von Wesen aus alten Legenden jeden schweigend anstarrten, der in diesen Raum eintrat.
»Nein. Davon weiß ich nichts«, sagte
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