Das vielfarbene Land
Schlingpflanzen, und zu beiden Seiten des Pfades bildeten Dornbüsche ein undurchdringliches Unterholz.
Endlich lichtete sich der Wald, und die grüne Dämmerung wich dem Sonnenlicht. Claude gab mit erhobener Hand das Signal zum Anhalten. »Keinen Pieps von euch!« hauchte er. »Ich habe längst erwartet, daß uns etwas in der Art begegnet.«
Sie spähten durch einen dünnen Schirm von jungen Bäumen auf eine offene Wiese mit verstreuten Klumpen von Büschen. Eine Herde von sechs alten und drei jugendlichen Nashörnern weidete die Zweige ab. Die voll ausgewachsenen Exemplare waren etwa vier Meter lang und mochten zwei oder drei Tonnen wiegen. Sie hatten zwei Horner, Schweinsäuglein und seltsame Haarbüschel an den Ohren, mit denen sie wackelten, um die Fliegen zu vertreiben.
»Dicerorhinus schliermacheri, würde ich sagen«, flüsterte Claude. »Das ist ihr Pfad, den wir benutzt haben.«
Felice trat vor und legte einen rasiermesserscharfen Pfeil auf. »Gut, daß der Wind in unsere Richtung weht. Laß mich eine Weile ihre Gehirne befühlen. Ich will sehen, ob ich sie in Bewegung setzen kann.«
Richard bemerkte: »und in der Zwischenzeit können wir nur hoffen, daß sie keinen Durst bekommen.«
Während Felice mit ihrer koerziblen Kraft experimentierte, zogen sich die anderen auf dem Pfad bis zu einer sonnigen Lichtung zurück, wo sie sich hinsetzten und ausruhten. Richard pflanzte einen geraden Stock ungefähr von der Länge seines Arms senkrecht in den Boden und markierte die Spitze des Schattens mit einem kleinen Stein.
»Machst du eine Sonnenuhr?« erkundigte sich Amerie.
Der Pirat schnitt eine Grimasse. »Wenn wir lange genug hierbleiben, können wir die Himmelsrichtungen fixieren. Die Spitze des Schattens wandert, während die Sonne scheinbar über den Himmel zieht. Du wartest, kennzeichnest die neue Position der Schattenspitze mit einem neuen Stein. Verbinde die beiden Steine durch eine Gerade, und du hast die Richtung von Osten nach Westen. Wenn wir dieses Hochland auf dem kürzesten Weg erreichen wollen, müssen wir uns meiner Meinung nach mehr links halten, als wir es auf diesem Pfad getan haben.«
Es verging fast eine Stunde, bis Felice zurückkam und ihnen sagte, es sei jetzt ungefährlich, die Wiese zu überqueren. Sie wählten eine neue Route, die Richards steinzeitlicher Navigation entsprach. Aber ohne einen ihnen zupaß kommenden Wildpfad waren sie gezwungen, sich einen Weg quer durch das verfilzte, von Dornen erstickte Untergeschoß des Waldes zu bahnen. Es war unmöglich, das leise zu tun, und die Tiere vollführten einen Aufstand wie zur Fütterungszeit im Zoo. Deshalb achteten sie genau auf die Windrichtung, holten die Vitredur-Beile und Claudes große Zimmermannsaxt hervor und hackten sich einen Weg. Nach zwei Stunden erschöpfender Arbeit stießen sie auf einen nicht ganz kleinen Bach, dem sie stromaufwärts in einen etwas offeneren Teil des Waldes folgen konnten.
»Wir sind jetzt auf der Anhöhe über dem See«, stellte Claude fest. »Die Straße zum Fort muß in der Nähe sein. Seid ganz leise und haltet die Ohren offen!«
Sie krochen weiter, versteckt im Schatten gigantischer Koniferen, palmenähnlicher Nacktsamer und Farne. und prompt liefen sie genau in die Straße hinein, als sie den Kurs ändern mußten, um einem Spinnennetz von der Größe eines Bankett-Tischtuchs auszuweichen. Der vom Busch gesäumte Pfad lag verlassen da.
Felice beugte sich über einen Haufen Chaliko-Dung. »Kalt. Sie müssen vor zwei Stunden hier durchgekommen sein. Seht ihr die Spuren nach Norden?«
»Sie werden zurückkommen«, sagte Claude. »und wenn sie Amphicyonen dabei haben, werden sie imstande sein, uns zu folgen. Verwischen wir unsere eigenen Spuren und verschwinden wir! Je höher das Gelände ansteigt, desto weniger Bäume wird es geben, so daß wir leichter vorankommen. Wir müssen irgendwo einem anderen Wasserlauf folgen, um unseren Geruch auszulöschen.«
Den Berg hinauf standen die Bäume weiter auseinander, aber es ging sich trotzdem nicht leicht. Die Wanderer folgten beinahe eine Stunde einem trockenen Wasserlauf, bevor aus lern sanften Hang oberhalb des hohen Seeufers eine mit faustgroßen Felstrümmern besäte steile Klippe wurde. Der Wind erstarb, und die nachmittägliche Hitze warf sie beim Klettern fast um.
Manchmal, wenn sie ausruhten, hatten sie Aussicht auf den großen See. Weit im Süden waren Segel zu sehen, die scheinbar bewegungslos über dem Wasser hingen. Es war
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