Das vielfarbene Land
Mann gab der Katze mehr Futter, dann wagte er es, sie zu berühren. Sie ließ sich sein Streicheln gefallen, krümmte den Rücken und kringelte den Schwanz mit der schwarzen Spitze zu einem Fragezeichen. Sie rückte näher an Claude heran und stupste ihre Stirn gegen sein Bein.
»Oh, du bist aber eine Süße! Winzige Zähnchen. Frißt du Larven unter Steinen und Insekten oder fischst du Elritzen? « Die Katze neigte den Kopf, schenkte ihm einen schmelzenden Blick und sprang ihm in den Schoß, wo sie sich mit allen Anzeichen der Vertrautheit niederließ. Claude liebkoste das hübsche Ding und sprach leise mit ihm, während die Schatten purpurn wurden und sich eine kühle Brise durch den Hain stahl.
»Ich muß gehen«, sagte er widerstrebend, schob eine Hand unter den warmen kleinen Bauch und setzte die Katze auf den Boden. Er stand auf und erwartete, das Tier werde bei der Bewegung Angst bekommen und fliehen. Aber es setzte sich nur nieder und beobachtete ihn, und als er wegging, folgte es ihm.
Er lachte und machte »Schsch«, aber es kehrte nicht um. »War das eine Blitz-Domestizierung bei dir?« fragte er es. und dann dachte er an Amerie, die in schlechtem Gesundheitszustand mit ihm und Richard nach Norden ziehen mußte. Wenn sie Felice zurückließen (und es schien keine Alternative zu geben), würde sich die Nonne sowohl um sie Sorgen machen als auch über ihre eigene Schuld nachgrübeln. Vielleicht lenkte das bezaubernde Kätzchen sie ab.
»Soll ich dich in meiner Tasche transportieren? Oder ziehst du Schultern vor?« Er hob das Kätzchen hoch und setzte es in die blasebalgähnliche Tasche seiner Jacke. Es drehte sich mehrmals um sich selbst und machte es sich dann bequem. Der Kopf schaute heraus. Das Kätzchen schnurrte immer noch.
»Das wär's dann.« Der alte Mann legte einen Schritt zu und wanderte von Wegmarke zu Wegmarke, bis er den offenen Teil des Eichenhains, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, wieder erreichte.
Die beiden Dekamol-Hütten waren nicht mehr da.
Claudes Kehle war wie zugeschnürt, sein Herz raste. Taumelnd zog er sich hinter einen dicken Baumstamm zurück und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, bis sein Puls langsamer wurde. Vorsichtig lugte er hinaus und musterte die Lichtung, wo das Lager gewesen war. Sie enthielt nichts mehr von ihrer Ausrüstung. Sogar der Feuergraben und die Überreste des gebratenen Rehbocks waren verschwunden.
Es waren keine Fußabdrücke, keine geknickten Farne oder Zweige zu sehen, die auf einen Kampf hingedeutet hätten (wie hatte sich Felice ohne Widerstand überwältigen lassen?) nichts ließ vermuten, daß sich jemals menschliche Wesen unter den großen alten Bäumen aufgehalten hatten.
Claude verließ sein Versteck und suchte gründlicher nach. Der Ort war von Leuten aufgeräumt worden, die ihr Handwerk verstanden, aber ein paar Spuren waren geblieben. Eine staubige Stelle trug parallele Striche. Offenbar waren dort Fußabdrücke mit einem Zweig weggefegt worden. und unten am Fluß auf einem schwach ausgeprägten Wildpfad, der stromaufwärts führte, klebte eine smaragdgrüne Flocke an dem harzigen Stamm einer Kiefer.
Ein Stückchen von einer grünen Feder. Einer grüngefärbten Feder.
Claude nickte. Das Rätsel begann sich zu lösen. Man hatte drei Leute und drei Rucksäcke gefunden und sie diesen Weg entlanggeführt. Wer? Bestimmt nicht die Diener der Tanu, die sich keine Mühe geben würden, ihre Anwesenheit zu verbergen. Dann ...? Firvulag?
Claudes Herz hämmerte von neuem los. Er kniff seine Nasenlöcher zusammen und atmete langsam aus. Die Adrenalin-Zufuhr wurde gestoppt, und das Klopfen in seiner Brust ließ nach. Er konnte nichts anderes tun, als ihnen zu folgen. und wenn man ihn fing ... nun, wenigstens hatte er einen Teil dessen vollbracht, weswegen er hergekommen war.
»Bist du sicher, daß du nicht aussteigen willst?« flüsterte er der Katze zu. Er hockte sich hin und hielt die Tasche auf, um es ihr leichtzumachen. Aber das Tierchen blinzelte nur schläfrig mit seinen großen Augen und kuschelte sich tiefer in die Tasche, so daß es nicht mehr zu sehen war.
»Dann heißt es also, wir gegen sie«, seufzte Claude. Er schlug ein tüchtiges Tempo an und wanderte den schäumenden Fluß hinauf, bis es fast dunkel war. Dann roch er Rauch und folgte seiner Nase in ein Sequoia-Wäldchen auf einem felsigen Hang über dem Fluß. Dort brannte ein ziemlich großes Feuer, um das sich viele dunkle Gestalten scharten, die lachten und
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